Ein Tiny House selber bauen? Geht das? Logisch, wird der ein oder die andere rausschreien. Aber kann man so etwas auch ohne Auto durchziehen? Das ist verrückt? Ein wenig schon, ja …
Ein ehemaliger Arbeitskollege von mir hat genau das getan! Er hat ein Tiny House ganz nach seinen Vorstellungen gebaut und hat sich bereit erklärt, uns allen einen wirklich äußerst spannenden und auch sehr lehrreichen Erfahrungsbericht zu liefern. In Form eines Interviews.
Tomas heißt er. Und man kann ihn einfach nur als echtes Vorbild in Bezug auf Nachhaltigkeit bezeichnen.
Copyright Hinweis: alle Bilder hat mir Tomas freundlicherweise für diesen Artikel zur Verfügung gestellt.
Inhalt
- Wer ist Tomas?
- Warum als Interview?
- Tomas, stell dich bitte kurz vor!
- Tiny House selber bauen
- Wie bist du auf diese Idee gekommen?
- Was musstet ihr rechtlich beachten?
- „Natürlich ohne Auto“. Wie darf man sich das vorstellen?
- Das klingt jetzt alles so einfach. Gabs nie gröbere Probleme?
- Wie klappt das mit der Energieversorgung?
- Und wie schaut dein Tiny House von innen aus?
- Herausforderung, Ärger und Spaß
- Fertig!
Wer ist Tomas?
Tomas ist ein junger Mann, der Nachhaltigkeit im Blut hat. Sehr viel mehr als viele andere von uns. Und gerade deshalb sehe ich ihn in vielen Belangen als echtes Vorbild. Auch wenn er selber meint, dass er noch sehr viel zu lernen hätte. Ja, Tomas habe ich auch als sehr bescheidenen Menschen kennengelernt.
Einer von den eher stillen Menschen, die nicht viel Aufhebens um ihre Leistungen machen. Die sich nicht selbst als den Maßstab sehen. Die ständig den Zeigefinger heben, wenn andere eine Leberkässemmel nach der anderen essen, während er selbst Veganer aus Überzeugung ist.
Warum als Interview?
Natürlich könnte ich jetzt versuchen, anhand von Infos von Tomas einen Artikel zu schreiben. Einen Tiny House Erfahrungsbericht aus der Außensicht quasi.
Ich finde es aber einfach besser, die Erfahrungen von Tomas beim selber bauen seines Tiny House von der Planung über die Durchführung bis zum Einzug direkt aus seinem Mund zu hören. Das halte ich für viel authentischer.
So habe ich Tomas zielgerichtet schriftlich eine Frage nach der anderen gestellt. Immer nur eine, um so einen echten Interview-Charakter zu erhalten. Dynamisch und hautnah. Dabei bauen meine weiteren Fragen dann jeweils auf den Antworten von Tomas auf.
Tomas, stell dich bitte kurz vor!
Ich komme ursprünglich aus Tschechien, seit 2014 in Salzburg, weil ich hier einen Job gefunden habe. Beruflich bin ich Programmierer, derzeit mache ich mein Sabbatical. Bin viel mit dem Rad unterwegs, am liebsten lange Distanzen, bis in die Nacht fahren, ein paar Stunden irgendwo auf einer Bank Übernachten und weiter fahren …
Im normalen Leben teste ich gerne die Grenzen, was alles machbar ist – zum Beispiel: mit meiner Frau haben wir ein kleines Kaffeehaus. Kann man überhaupt ohne Auto ein Kaffeehaus betreiben? Seit einem Jahr machen wir es so, liefern alle Vorräte auf einem Radanhänger und brauchen dabei gar kein Auto. Sogar Eis von Bergheim nach Salzburg hab ich öfters transportiert.
Tiny House selber bauen
Wie bist du auf diese Idee gekommen?
Weil das mit dem Café so einfach war, haben wir uns überlegt, ob man ein (kleines) Haus ohne Auto bauen könnte.
In meinem Sabbatical wollte ich viel reisen. Dafür war 2020 (Anmerkung: Corona!) ganz schlecht. Also ich hatte die freie Zeit und keine Pläne. Und genau in dem Moment haben wir ein günstiges Grundstück in Kärnten gefunden. Da können wir eine andere verrückte Idee ausprobieren, die wir schon längere Zeit überlegen.
Wie wäre es mit einem Tiny House in Österreich? Ab September 2020 bauen wir, natürlich ohne Auto, ein kleines Haus. Es wird eine Gartenhütte, ein Häuschen für unsere Gäste oder vielleicht auch nur ein Baucontainer. Ist noch nicht ganz definiert und durchgedacht :-).
Was musstet ihr rechtlich beachten?
Man kann ein Mini-Haus ziemlich problemlos legal bauen, wenn man keinen Hauptwohnsitz will und keine Baubewilligung braucht. Je nach Bundesland sind die Kriterien für einen bewilligungsfreien Bau unterschiedlich (→ Baugenehmigung).
In Kärnten, wo wir bauen, müssen wir unter 25 m2 und 3,5 m Höhe bleiben. Dann reicht eine einfache schriftliche Mitteilung an das Gemeindeamt mit einer Skizze, Lage und Beschreibung, was gebaut wird.
„Natürlich ohne Auto“. Wie darf man sich das vorstellen?
„Natürlich ohne Auto“, weil wir keines mehr besitzen. Als wir unseren Wagen im Herbst 2019 weggegeben haben, wollten wir testen, was alles ohne Auto möglich ist. Arbeit und Haushalt sind ja kein Problem.
Der nächste Schritt war dann ein Häuschen ohne Auto zu bauen. Geht das überhaupt? Gibt es Leute, die sowas versuchen? Wir wollten’s wissen. Schon die Grundstücksbesichtigung hab ich mit dem Rad absolviert. Lavamünd liegt etwa 280 km entfernt, also in der Früh los, durch Obertauern nach Kärnten, am Abend war ich in Lavamünd, wo alles wegen Corona zu war, keine Übernachtungsmöglichkeit. Also an einer Bank im Wald übernachten, die Besichtigung absolvieren und wieder zurück nach Hause, diesmal via Liezen.
Das geht natürlich nicht immer, vor allem wenn man inzwischen wirklich bauen will. Also eine Alternative musste her. Mit dem Zug nach Klagenfurt und da entweder weiter mit einem Carsharing-Wagen von ÖBB (wenn wir viel Material kaufen/bringen müssen), oder weiter mit dem Zug und die letzte „Meile“ mit dem Rad.
Rund um die Baustelle waren wir immer mit dem Rad unterwegs. Auch öfters einkaufen – einige Sackerl Beton, Schalungsteine, Solarpaneele (und den Akku!), Schornstein, das alles kann man mit dem Rad und Anhänger transportieren.
Noch bevor wir mit dem Bau begonnen haben, hab ich zwei riesige Fenster in Grödig gekauft. Der Verkäufer war nur etwa 2 km von meinem Haus entfernt, also ich bin zu Fuß gegangen. Er hat mir am Ende die Fensterscheiben mit seinem Auto nach Hause gebracht, die Fensterrahmen musste ich aber zu Fuß und mit eigener Kraft tragen.
Alle Leute lachen auch immer, weil sie noch niemanden gesehen haben, der Schalungssteine mit dem Rad einkaufen wollte.
Oder zum Sägewerk mit dem Rad kommt. Oder wegen einer Besichtigung 300 km fährt. Einmal wird es ganz normal, glaube ich. Inzwischen sind davon super Anekdoten entstanden und alle Leute erkennen uns mittlerweile sofort, sind freundlich und hilfsbereit. Das alleine ist schon wert genug, um mit dem Rad weiterzufahren :-).
Das klingt jetzt alles so einfach. Gabs nie gröbere Probleme?
Baustelle 300 km entfernt
Von Anfang an hatten wir keine Ahnung, wie wir den Bau organisieren. Die Baustelle ist ja 300 km entfernt, man kann nicht täglich pendeln. Wir haben eine günstige Unterkunft gebucht und insgesamt waren wir da etwa 4 Wochen, bevor wir in dem Häuschen übernachten konnten.
Fehlende Stromversorgung
Das nächste Problem war, dass wir keine Stromversorgung am Grundstück hatten. Es gibt zwar einen Kasten von Kelag (Kärntner Elektrizitäts-Aktiengesellschaft) direkt in einer Ecke des Grundstücks. Die Gebühren, ein Baustromverteiler, eine Elektrofirma, Material, das alles hätte aber etwa 4000 € ausgemacht. Extrem hoch dafür, dass wir nur unsere drei Akku-Geräte, Stirnlampe und Handy aufladen wollten.
Die Unterkunft war dafür perfekt, täglich Akkus aufzuladen und über den Tag aufbrauchen. Später, in der Phase, wenn wir schon in dem Häuschen übernachten konnten, hatten wir immer noch keinen Strom. Wir mussten die Akkus ordentlich sparen und viel manuell sägen und schrauben.
Jetzt haben wir schon kleine Solaranlage und damit ist das Problem endlich erledigt.
Wie an Wasser kommen?
Anderes Problem war die Wasserversorgung – die Gemeinde hat den Anschluss zwar vorbereitet, für uns war es aber nur ein 2 m tiefes Loch mit Rohren. Wir mussten da einen Wasserzählerschacht bauen. So was macht man nicht ohne Bagger und/oder Kran.
Schon die Kosten für die üblichen Betonringe und Lieferung wären enorm hoch. Und dazu hatten wir keine Idee, wie wir die schweren Ringe ins Loch bringen könnten.
Am Ende haben wir den Schacht aus Schalungssteinen gebaut, ohne Maschinen, ohne Betonmischer, mit Wasser im Eimer von den Nachbarn, alles per Hand, in zwei Tagen.
Probleme mit Beschaffung der Dämmung
Die Dämmung war auch eine lange Geschichte. Wir wollten mit Steico Holzfaserdämmplatten dämmen, weil sie wesentlich ökologischer sind als Steinwolle. Die Platten bekommt man aber in keinem Baumarkt. Also online bestellen und bezahlen. Sofort hat das Geschäft zurückgerufen, dass die Lieferung nicht 69 € kostet, sondern fast 400 €, weil wir so weit in Kärnten sind.
Außerdem gab es keine anderen online Geschäfte, die so was verkaufen. Und überhaupt nicht an private Personen. Nur Baufirmen kaufen wahrscheinlich solche Dämmplatten und sicher nicht online. Am Ende haben wir ein anderes Geschäft entdeckt und nach einigen E-Mails, Angeboten und zig Telefongesprächen haben wir sie aus Villach bekommen.
Solche Probleme mussten wir lösen, weil wir anders bauen. Ohne Maschinen, ohne Strom, ohne Baufirma. Wahrscheinlich baut sonst niemand so. Damit haben wir aber gleichzeitig enorm viel Geld erspart, viel Neues dabei gelernt und jetzt wissen wir ganz genau, wie man die Sachen besser organisieren kann.
Wie klappt das mit der Energieversorgung?
Generell brauchen wir: heizen, kochen, Wasser aufwärmen (Warmwasser), Strom für die Beleuchtung und zum Laden unserer Handy- und Akku-Geräte.
Die „normale“ Variante wäre sich ans Stromnetz anzubinden und das alles mit 230V Strom zu erledigen. Elektroboiler, Induktionskochfeld, Elektroheizung. So viel könnten wir nämlich nie mit einer kleinen Solaranlage betreiben und es würde nur wenig Sinn ergeben, Netz und Solaranlage gleichzeitig zu benutzen.
Unser Holzofen gibt uns die Möglichkeit zum Kochen, Heizen und fürs Warmwasser. Und wir brauchen so nur Bruchteil von dem Strom, der sonst nötig wäre. Deshalb reicht uns auch eine winzige Solaranlage mit nur 200 W Leistung. Wenn wir also die Aufgaben aufteilen (Solar & Holz), können wir damit unabhängig vom Stromnetz bleiben.
Und wie schaut dein Tiny House von innen aus?
Keinen Platz verschwenden
Drinnen haben wir etwa 16 m2 zur Verfügung. Nicht viel, aber genug für ein kleines Badezimmer, eine Küchenwand, einen Holzofen und ein Bettsofa. In einem so kleinen Raum ist es wichtig, keinen Platz zu verschwenden.
Das Erste, was wir drinnen gebaut haben, ist eine Trennwand zwischen Badezimmer und Küche. Diese Wand ist aus Konstruktionsholz, was übrig geblieben war, und daher ziemlich massiv. Das ist kein Problem, weil wir beide Seiten der Wand und den Raum inzwischen nutzen können. Im Badezimmer funktioniert die Konstruktion als Träger für die Fermacell Platten, in der Küche sind es Regale für Geschirr.
Garderobe und „Abstellraum“
Zwischen dem Eingang und dem Badezimmer haben wir eine „Garderobe“ gebaut. Gleichzeitig ist es ein Platz, wo wir unser Werkzeug lagern, die Solaranlage hat hier seinen Laderegler, einen Akku, einen Wechselrichter.
Die Küchenwand haben wir selber gebaut, wieder von Resten des Konstruktionsholzes und von dem, was man normalerweise in jedem Bauhaus findet.
Der Holzofen
In der Ecke steht ein Holzofen, den wir geschenkt bekommen haben. Der Einbau des Ofens war nicht ganz einfach und ziemlich teuer. Vor allem die spezielle Wanddurchführung und der Edelstahl Schornstein. Ohne Holzofen geht es aber nicht. Wir heizen mit dem Ofen, kochen damit, erwärmen Wasser zum Duschen, kochen Kaffee.
Holz als Brennstoff ist lokal und nachwachsend. Gleichzeitig macht uns Holz unabhängig (in Bezug auf Energie – siehe oben).
Schlafzimmer gibt es keines
In fast jedem Tiny House sieht man ein Loft mit Bett. Ein Loft passt leider nicht rein, wenn man auf 3,5 m Höhe beschränkt ist. Deswegen haben wir ein einfaches gebrauchtes Bettsofa besorgt.
Herausforderung, Ärger und Spaß
Der Innenausbau war eine echte handwerkliche Herausforderung. Von Wasserleitungen, Kanalrohren, Dämmung, Ofeneinbau, Wandverkleidung, Möbelbau bis zu Beleuchtung und Steckdosen. Am Ende sitzt man gemütlich im Sofa mit einer Tasse Kaffee und kann kaum glauben, dass wir das Ganze selber, zu zweit, gemacht haben und alles funktioniert.
Wir kennen jede Stelle, jede Leitung, hatten dabei viel Spaß und auch Ärger. Vor allem haben wir aber unglaublich viel gelernt.
Fertig!
Und so sieht das Tiny House von außen und innen am Ende aus. Da kann man wirklich stolz auf das sein, was man geschaffen hat.
Abschließend will ich mich bei meinem ehemaligen Arbeitskollegen Tomas und seiner Frau noch einmal ganz herzlich für die wirklich sehr spannenden Einblicke in den Bau eines Tiny House bedanken!
Ich bewundere die beiden wirklich sehr, so ein Projekt allein gestemmt zu haben! Ein Tiny House selber zu bauen, macht ihnen bestimmt nicht so schnell jemand nach!
Habe deinen Bericht mit großem Interesse gelesen und kann nur sagen: Hut ab vor soviel Durchhaltevermögen! Ich kann nur bestätigen, wer will, findet Wege, wer nicht will, findet Ausreden! Einfach genial, dieses Projekt ohne Kompromisse durchzuziehen! Meinen allergrößten Respekt!!!
Mich interessiert dieses Thema auch, aber diese Hürden!
Werde das bei Euch mal weiter verfolgen.
LG Bernhard
Sehr interessant. Eine Freundin lässt sich auch gerade ein Tiny House bauen. In Deutschland ist es aber sehr schwer, überhaupt erstmal einen Platz zu finden, wo man so etwas bauen darf. Meine Freundin hatte Glück: Ein Dauer-Campingplatz bot die Genehmigung dafür. Mir selber wären 16 qm ein klein bisschen zu wenig zum Leben ;-)
Servus Sabine!
Die rechtlichen Aspekte sind auch bei uns nicht einfach. Leider! Diesen Absatz haben wir bewusst nicht so ausführlich behandelt, denn das alleine hätte schon einen eigenen, sehr langen Artikel benötigt. Also auch in Österreich ist das alles andere als einfach und jedes Bundesland hat andere Regeln. Will man so ein Tiny House auch noch als Hauptwohnsitz verwenden, wird es gleich noch sehr viel komplizierter bis unmöglich.
Dabei wäre das echt genial, wenn sich da z.B. ein paar Leute finden, die eine Art Tiny House Dorf aufbauen würden. Aus Sicht der Nachhaltigkeit gibt es zum wohnen kaum was besseres, wenn man ein Dach über den Kopf haben will.
Have fun
Horst
Da sieht man, was mit dem entsprechenden Willen alles möglich ist. Tolles Projekt und ein toller Typ!
Servus Manuel!
Ja, du sagst es! Ich finde das ungemein genial. Und der Mann ist so bescheiden und ruhig, so etwas fasziniert mich dann noch zusätzlich.
Have fun
Horst