Zuletzt aktualisiert am 31. Januar 2024 um 9:11
Die Klimakrise ist berechtigterweise in aller Munde und führt mitunter auch zu neuen Wortschöpfungen wie Flugscham oder noch weniger bekannt Zugstolz.
Bei manchen meiner Leser:innen wird sich möglicherweise gleich bei mehreren Wörtern des ersten Satzes der Magen umdrehen. Bitte nicht gleich wieder abhauen – lasst uns bitte darüber reden!
Und gleich vorweg: nicht mehr zu fliegen, ist meine persönliche Entscheidung!
Inhalt
Klimakrise? Bullshit!
Das ist ein Klimawandel – total normal!
Schon über die Wahl der Wörter kann man trefflich streiten. Während sich viele mit dem Wort Klimawandel durchaus anfreunden können, stößt es ihnen beim Wort Klimakrise oder Klimakatastrophe sauer auf. Aber so richtig!
Das wäre keine Krise und einen Klimawandel hätte es doch schon immer gegeben! Ja, das stimmt – Klimawandel gab es schon sehr viele. Oder anders formuliert: Unser Klima ändert sich ständig. Das ist wahrlich nichts Besonderes. Auch ich habe in der Vergangenheit das Wort Klimawandel verwendet, wenn es um die aktuelle Erwärmung der Erde ging.
Vom Klimawandel zur Klimakrise
Nachdem ich mich mehr und mehr mit dem Thema Erderwärmung beschäftigt habe, wurde mir immer klarer: Das Wort Klimawandel ist ein absolutes Understatement zu dem, was auf unserer Erde gerade passiert.
Man muss sich nur die Fakten ansehen. Beim Thema Temperaturmessung gibt es einfach keine Meinung – hier gibt es nur Fakten.
Wie man die gemessenen Temperaturen dann interpretiert, darüber kann man dann wieder diskutieren. Sind wir Menschen dran beteiligt oder nicht? Wie stark ist unser Einfluss wirklich? Nehmen wir uns nicht zu wichtig, wenn wir denken, tatsächlich die Erwärmung der Erde maßgeblich zu beeinflussen?
Fakt ist: Die Erwärmung der Erde ist in den letzten Jahrzehnten so massiv gestiegen, wie noch nie zuvor. Sehr gut ablesen lässt sich das an den sogenannten Climate Stripes / Klimastreifen von Ed Hawkins. Sie zeigen einfach die Jahres-Durchschnittstemperaturen seit 1901.
Du kannst für jedes Land der Erde solche Climate Stripes wie im Bild oben auf der Webseite #ShowYourStripes erzeugen lassen. Besser kann man diese Erwärmung nicht sichtbar machen. Mensch oder nicht: das Wort Klimawandel ist für mich in Anbetracht dieser Grafik nicht mehr angebracht, und so verwende ich das den Umständen entsprechend für mich klar besser passende Wort Klimakrise.
Der Mensch trägt die Verantwortung
Viele wollen es einfach nicht wahrhaben, aber es ist so: Der Mensch trägt sehr maßgeblich zur Erderwärmung bei. Das ist nicht meine Meinung, auch das basiert mittlerweile eindeutig auf Fakten. Leugnen und wegducken hilft nicht wirklich, es kann maximal eine Zeitlang das Seelenheil schützen. Aber es wird irgendwann jede:n einholen.
An dieser Stelle schicke ich dich auf eine eigene Recherchereise: Google – ist der Klimawandel vom Menschen verursacht
Spoiler: Bitter, aber wahr. Wir Menschen sind es. Und noch bitterer: Nur ein Teil der Menschen, nämlich jene, die man als „zivilisiert und wohlhabend“ nennt. Wir Europäer zum Beispiel. Und ja, es gibt noch viel schlimmere (Katar, Dubai), aber wollen wir uns wirklich an Negativbeispielen orientieren?
Die ärmeren Länder tragen praktisch nichts zur Klimakrise bei, leiden aber schon heute massiv an den Auswirkungen. Überschwemmungen auf der einen und Dürre auf der anderen Seite.
Flugscham? Sonst noch Schmerzen?
„Da kommt mir jetzt echt die Galle hoch! Da arbeite ich das ganze Jahr, und dann soll ich mich wegen so eines depperten Fluges im Jahr jetzt auch noch schämen? Du tickst doch nicht richtig!“
Kommunikation halte ich für ungemein wichtig, wenn es um die Klimakrise geht. Und deshalb bin ich mit dem Wort Flugscham nicht wirklich glücklich. Es weckt einfach unweigerlich Emotionen. Niemand schämt sich gern. Wird man mit diesem Wort konfrontiert, führt das zur Verteidigungshaltung oder – sehr viel öfter – zum Gegenangriff. Das mit Flugscham bedachte Gegenüber wird bei dir nach „Verfehlungen“ suchen und auch ganz sicher fündig werden. Denn eines ist ganz sicher: Niemand ist perfekt.
Dann lieber Zugstolz!
Anstatt dein Gegenüber mit Flugscham zu konfrontieren – wie wäre es, anstatt einen Seitenhieb auf das Fliegen loszuwerden, deinen Zugstolz auf den Tisch zu bringen? Zum Beispiel, in dem du erzählst, dass dein nächster Urlaub einer mit dem Zug nach Norwegen sein wird?
Ja, das ist in der Tat mein eigener Plan. Wann das passieren wird, weiß ich noch nicht, aber ich freue mich schon sehr darauf!
Persönliche Entscheidung – ich fliege nicht mehr
Für mich ist fix: Ich werde in meinem Leben nicht mehr fliegen.
Nicht, weil ich für meinen letzten Flug (Wandern auf Mallorca, 2015) beschimpft wurde oder ich mit dem Wort Flugscham abschätzig bedacht wurde. Nein. Einfach aus Überzeugung. Für mich gehört Fliegen zum absoluten Luxus der Gutbetuchten und es hat auch einen nicht unerheblichen Anteil an der Klimakrise. Immerhin 3,06 %. (Quelle: Emissionen eines Flugzeugs)
Die CO₂-Emissionen sind übrigens nicht das einzige Problem des Fliegens, diese machen nämlich nur 1/3 der klimaschädlichen Wirkungen aus. Den Großteil verursachen Kondensstreifenbildung und Stickoxide. Quelle: Stay Grounded – Factsheet (PDF)
Wenn ich höre, dass die Luftfahrt-Industrie plant, sich bis zum Jahr 2050 zu verdreifachen, dann will ich diese auf keinen Fall auf diesem Weg unterstützen. Ich bleibe auf dem Boden!
Gerne lese ich auch deine Meinung zum Thema Flugscham. Wie siehst du das? Bitte keine Beschimpfungen, solche Beiträge gebe ich nicht frei. Danke!
Ich denke, wenn man richtig damit um geht, dann kann selbst „Scham“ motivieren. Genauso wie andere böse Wörter: „Schuld“, „Verantwortung“, „Versagen“, „Angst“ oder „Katastrophe“.
Ich weiß um meine Verantwortung und um meine Schuld, ich schäme mich dafür, versagt zu haben, viel zu spät begriffen zu haben und viel zu langsam vom Verstehen zum Handeln gekommen zu sein, ich weiß von den Katastrophen, die heute passieren und von jenen, die der Menschheit noch bevorstehen, selbst im günstigsten Falle eines unter-2°-Szenarios. Und ich habe Angst!
Aber all das motiviert mich, weiterzumachen, zu kämpfen um jedes Zehntel Grad, um jedes Stückchen Gerechtigkeit, für die Vision eines besseren, klimagerechten Lebens.
Ein schwieriges Thema. Unangenehme Gefühle, wie Scham auszulösen, kann bei manchen sicher zu einem Umdenken führen, bei anderen aber möglicherweise zu (eher kindischen) Trotzreaktionen. So ganz nach dem Motto: „Jetzt erst recht, von diesem Öko lasse ich mir gar nichts anschaffen / mies machen!“
Deshalb denke ich, dass man durch positive Gefühle eher Menschen zur Änderung bewegen kann. Oder zumindest darüber nachzudenken, vielleicht den nächsten Urlaub doch mit dem Zug statt mit dem Flugzeug zu machen.
Liebe Grüße
Horst
Auf jeden Fall: Scham auslösen, beschämen funktioniert nicht. Aber über die eigene Scham, über die eigenen Fehler zu sprechen, ist in Ordnung, denke ich – und kann vielleicht inspirieren.
Und natürlich sollten man immer eine positive Vision anbieten. Z. B. dass das nachhaltige, das klimagerechte Leben kein Opfergang in eine trostlose, triste Zukunft, sondern eine Bereicherung ist und sogar Spaß macht.
Liebe Grüße, Roland
Ich bin bisher noch nie geflogen und ob ich es irgendwann doch einmal schaffe steht in den Sternen. Aber wenn es klappen sollte, dann wäre es ein Langstreckenflug. Ich würde mich nicht schämen, denn es wäre eine einmalige Sache und würde nicht zum Dauerzustand werden, ala ich flieg jetzt kreuz und quer über den Globus. Ich denke, wenn alle das so handhaben würden, wäre es ok mit dem Fliegen. Ist ja auch bei Kreuzfahrten mittlerweile schon Ramsch geworden, jeder will ständig mit den riesen Pötten fahren. Dabei waren Kreuzfahrten einmal der absolute Luxus, wie ja auch das Fliegen mal Luxus war.
Servus Aurelia!
Hin- und wieder einmal zu fliegen, bringt unsere Welt nicht um. Das Problem ist die große Masse der Flüge – von sehr wenigen Menschen auf unserer Erde. Der Großteil der Menschen ist noch nie geflogen, weil sie es sich einfach nicht leisten können.
Wenn heute jemand noch immer so fliegt, wie vor 10 oder 20 Jahren, wo man sich noch weniger Gedanken über Nachhaltigkeit und Klima gemacht hat (wenn auch das Thema schon um 1970 massiv auf den Tisch gekommen ist), dann sollte er oder sie ihr Verhalten aber auf jeden Fall hinterfragen.
Kreuzfahrten waren mir schon einmal einen eigenen Artikel wert. Für mich die mieseste Art des Reisens. Mehr kann man der Umwelt mit einem einmzigen Reise wirklich nicht schaden (Deppen, die einen Weltraumflug zur Bespaßung machen, einmal ausgenommen).
Have fun
Horst