Zuletzt aktualisiert am 24. September 2023 um 7:44
Hast du schon einmal von der Freiwilligen CO2 Kompensation gehört?
Wenn du dich auf Reisen begibst, völlig egal, ob das ein Wanderurlaub, eine Städtereise oder eine Kreuzfahrt ist, dann produzierst du dabei unter anderem auch CO2 und belastest damit deine und unser aller Umwelt. Solltest du deshalb in Zukunft Zuhause bleiben? Dass das nicht der Weisheit letzter Schluss sein kann und muss, habe ich im Rahmen der Rezension des Buches FAIRreisen – muss ich jetzt Zuhause bleiben schon erörtert.
Nein, wir (also du und ich und auch alle anderen) dürfen nach wie vor auf Reisen gehen! Aber eines sollten wir uns dabei in Zukunft angewöhnen: Wir sollten darüber nachdenken, was wir durch unsere Reise in Bezug auf CO2 Emissionen bewirken und wie wir diese kompensieren können. „CO2 kompensieren – wie soll das denn funktionieren?“ wirst du dich nun möglicherweise fragen. Genau das will ich dir innerhalb dieses Artikels erklären.
Und am Ende meine Meinung zu dieser Möglichkeit abgeben – Stichwort Greenwashing.
Inhalt
Wer reist belastet die Umwelt
Egal ob du mit dem Auto, dem Zug, dem Flugzeug oder welchem motorisierten Gefährt auch immer in den Urlaub fährst oder fliegst: alleine schon durch deine Anreise belastest du die Umwelt damit mehr, als wenn du im Urlaub einfach nur Zuhause auf Balkonien bleiben würdest.
Je nach Art der Übernachtung entstehen im Urlaub vor Ort zusätzliche Emissionen und jede Aktivität – sei es ein Ausflug oder eine Fahrt mit dem Banana-Boot, eine Fahrt mit einer Seilbahn auf einen Aussichtsberg oder was auch immer – du produzierst damit ebenfalls zusätzlich CO2, welches nicht entstünde, wenn du Zuhause geblieben wärst.
Tourismus auf Rekordjagd und ich mittendrin?
Immer mehr Menschen sind auf der Jagd nach Erlebnissen unterwegs und hinterlassen dabei teilweise auch einen immensen Klima-Fußabdruck (Artikel auf den Seiten des WWF).
Umwelt-Gewissen scheint dabei häufig ein Fremdwort zu sein. Schließlich bin ich im wohlverdienten Urlaub und will nicht jeden Euro umdrehen und jede meiner Aktivitäten hinterfragen müssen.
Was Tourismus für die Menschen vor Ort heißt, darüber macht man sich als All Inklusive Urlauber in der Regel eher wenig Gedanken. Aber nicht nur All Inklusive Urlauber lassen im Urlaub die sprichwörtliche Sau heraus.
Müllproblem? Irgendwer wird das schon wegräumen! Schöner Golfrasen, der Unmengen an Wasser verschlingt, in einer ansonsten eher kargen Gegend? „Lokaler Regen“ wird das wohl kaum ermöglichen. Aber wir wollen uns den Urlaub nicht durch lästige Realitäten vermiesen lassen, nicht wahr?
Sollten wir – du und ich – aber tun! Ab sofort! Ja, schon im kommenden Urlaub! Und nein, es gibt keine Ausrede! Weiterlesen! So schlimm ist das nicht. Ganz im Gegenteil, du kannst deine nächsten Urlaube evtl. wieder mit einem etwas besseren Gewissen verbringen und auch genießen.
Das Prinzip der CO2 Kompensation
Und hier sind wir auch schon beim Grundprinzip der CO2 Kompensation angelangt: Die durch den Urlaub bedingte CO2 Mehrbelastung kannst du durch eine Zahlung an bestimmte Organisationen, die das Geld in Klimaschutzprojekte investieren, ausgleichen. Welche das sind? Dazu weiter unten gleich mehr.
Die Kritiker dieses Prinzips nennen das Greenwashing, also mehr oder weniger eine Maßnahme, die nur dazu da ist, um das Gewissen zu beruhigen, ohne wirklich etwas Gutes für die Umwelt zu tun. Gewissenlos die Umwelt verpesten, ein paar Euro bezahlen und alles ist wieder gut.
Man sollte sich auf jeden Fall Folgendes vergegenwärtigen:
- CO2 vermeiden ist der beste Umweltschutz
- CO2 Kompensation kommt an zweiter Stelle
- gar nichts tun ist die schlechteste Option
Die grundlegende Frage sollte also in jedem Fall sein: wie erzeuge ich möglichst wenig CO2 Emissionen im Urlaub bzw. auf dem Weg dort hin? Erst dann sollte man über die Möglichkeit einer Kompensation nachdenken.
Aber bitte nicht nur an die CO2 Emissionen denken, auch wenn dieser Artikel vorrangig diese zum Thema hat! Deinen Müll nicht in die Landschaft zu werfen, sollte selbstredend sein, aber auch darauf zu achten, wie die zum Beispiel Müll vermeiden kannst, solltest du stets im Kopf behalten. Die Ausrede: „Aber die Einheimischen sch***en sich ja auch nichts!“ zählt nicht.
Statt einem Coffee-to-go dann lieber gemütlich in ein Kaffeehaus setzen – schließlich bist du im Urlaub und solltest dir die Zeit dafür nehmen, den Kaffee gemütlich im Sitzen zu genießen anstatt ihn neben dem Sightseeing im Gehen reinzuschütten.
Wie stelle ich fest, was ich an CO2 verbrauche?
Um zu berechnen, wie viel CO2 du durch eine Urlaubsreise verbrauchst, gibt es sogenannte Fußabdruckrechner. Einen sehr guten dieser Rechner findest du auf den Seiten der TU Graz: Ökologischer Fußabdruck.
Lass uns das am Beispiel meines geplanten Norwegen-Urlaubes gemeinsam durchgehen. Dazu sammeln wir zuerst die Eckdaten.
- 4 Personen, 23 Übernachtungen (davon 2x auf der Fähre)
- Anreise/Abreise durch Deutschland mit Auto (2x 1040 Kilometer)
- Fähre Kiel – Oslo / Oslo Kiel (2x 680 Kilometer)
- Reine Fahrstrecke der geplanten Route ca. 3000km
Unser nördlichster Punkt wird Dønna (Treffen der Norwegenfreunde) - Binnenfährfahrten
Kann noch variieren, rechne mit 6 Fährfahrten zu 3km - Ausflugsfahrten in Norwegen ca. 500km
beruht auf einer Schätzung basierend auf Erfahrungswerten
Mit besonderen Aktivitäten vor Ort rechne ich nicht, außer Wandern werden wir nicht viel unternehmen. Soll heißen: unser CO2 Fußabdruck vor Ort beschränkt sich also auf die Autokilometer sowie Binnenfährfahrten und die Übernachtungen.
Um die Berechnung zu vereinfachen, habe ich mir ein einfaches XLS-Sheet mit allen Eckdaten erstellt. Dieses stellt nun die Basis dar, um unseren CO2 Verbrauch zu errechnen. Dazu verwende ich den oben erwähnten Ökologischen Fußabdruckrechner der TU Graz.
Schlechtes Gewissen wegen Fähre berechtigt?
Nach dem Lesen des Buches FAIRreisen – Das Handbuch für alle, die umweltbewusst unterwegs sein wollen Werbung habe ich ein wenig ein schlechtes Gewissen bekommen, was die Anreise mit der Fähre anbelangt.
Fähren sind ziemliche Stinker auf offener See und so wäre es vielleicht ja doch besser gewesen, durch Schweden nach oben zu fahren. Diese Variante habe ich aber am Ende wieder verworfen, weil die Fahrt durch Schweden (über Dänemark und die Öresundbrücke) in jedem Fall stressiger gewesen wäre, als jene mit der Fähre. Zudem hätte das in Summe 2 Urlaubstage gekostet.
Und ich muss auch gestehen, dass ich die letzten Einfahrten in den Oslo-Fjord ungemein genossen habe und diese auch nicht missen wollte.
Aber nun wollte ich zumindest wissen, wie sich die 680 km Fähre im Vergleich zu den ca. 1000 km Autofahrt in Bezug auf den CO2 Fußabdruck auswirken. Dazu habe ich beide Varianten in den Fußabdruckrechner geklopft. Ergebnis: 462,7 kg vs. 355,4 kg – die Fahrt mit der Fähre belastet also die Umwelt zusätzlich mit etwas mehr als 100 kg CO2 pro Person.
Kompensation meiner „Urlaubs-Sauerei“
Wenn man mit den Eingaben etwas spielt, bekommt man schnell ein recht gutes Gefühl, was man mit welcher Entscheidung bewirkt. Wer z.B. wie wir in einer Hütte übernachtet, verbraucht pro Person in 23 Tagen 50 kg. Im Vergleich dazu würde eine Übernachtung in einem 5* Hotel über 1700 kg ausmachen. Also, selbst wenn wir uns ein 5* Hotel leisten könnten, der Fußabdruck wäre schon auch extrem viel höher und man sollte auch aus Umwelt-Aspekten evtl. doch eine einfachere Unterkunft bevorzugen.
Mein persönliches „Dilemma Anreise“ habe ich oben schon erörtert – 100 kg mehr pro Person.
Die komplette CO2 Belastung unseres Norwegen-Urlaubes liegt also bei ca. 860 kg pro Person.
Um das nun durch eine Zahlung für ein Klimaschutzprojekt auszugleichen, muss ich eine entsprechende Organisation finden. Die CO2 Kompensation musst du natürlich nicht in dem Land machen, in dem du wohnst. Trotzdem zeige ich dir Möglichkeiten für Österreich und Deutschland (von dort kommt der Großteil der Besucher meines Blogs).
Österreich
Meine Suche für Österreich („CO2 Kompensation Österreich“) hat mich zur Seite der Climate Austria gebracht. Dort findet man einen sehr einfachen Rechner mit anschließender Option, eine entsprechende Zahlung zu veranlassen.
Einfacher geht’s fast nicht, um das Geld in Klimaschutzprojekte zu investieren. Der CO2 Rechner selbst ist aber sehr dürftig, weshalb ich jenen CO2 Verbrauch verwende, den ich über den oben genannten Fußabdruckrechner erhalten habe. Das klappt deshalb sehr gut, weil man im Berechnungsteil auch einfach die CO2 Emissionen eintragen kann (Freiwillig zusätzlich xx t CO2).
In meinem Fall also 860 kg, wenn ich nur für mich und nicht die komplette, mitreisende Familie bezahle. Der zu bezahlende Betrag beläuft sich dann auf 21,5 €. Das finde ich wirklich nicht schlimm und sollte sich jeder leisten können, der 3 Wochen im Urlaub unterwegs ist.
Eine Alternative für Österreicher wäre zum Beispiel ReGreen, ein junges Start-up, welches aus einem Schulprojekt heraus entstanden ist. Nett: man bekommt einen CO2 Sticker, den man sich ans Auto kleben kann. Wobei die Herstellung und Zusendung des Stickers selbst ja auch wieder Ressourcen verbraucht, die man sparen könnte. Aber manche Leute stellen halt ihre Umweltfreundlichkeit / Spendenfreudigkeit oder was auch immer gerne zur Schau. Und wenn der Sticker dazu führt, dass mehr Leute ihr „Urlaubs-CO2“ kompensieren, dann erfüllt er seinen Zweck.
Deutschland
Für Deutschland stößt man auf atmosfair, was auch im Buch FAIRreisen Werbung Erwähnung findet. Auch atmosfair bietet Fußabdrucksrechner, allerdings aktuell auch eher dürftig nur für Flugreisen und Kreuzfahrten. Aber auch bei atmosfair kann man eine „Wunschmenge kompensieren“, wodurch man auch dort als Basis den Fußabdrucksrechner der TU Graz verwenden kann, um einen Urlaub komplett kompensieren zu können.
Da Kreuzfahrten im erwähnten Buch wirklich ganz schlecht wegkommen, wollte ich wissen, welchen Fußabdruck eine 3-wöchige Kreuzfahrt mit 4 Personen hinterlässt. Über 20.000kg mit einem Kompensationsbetrag von 502€! Eine Kreuzfahrt kommt mir also nicht ins Haus, solange diese Schiffe unsere Umwelt durch Fahrten mit Schweröl mit den Füßen treten.
Weiterführende Artikel
Einen sehr guten und ausführlichen Artikel zu den Auswirkungen der Kreuzfahrtsindustrie, findest du bei Deeper Travel (generell eine sehr empfehlenswerte Seite): Nachhaltigkeit Kreuzfahrt: Alles was du über Kreuzfahrten wissen musst.
Einen weiteren, sehr guten Artikel, wie du klimaschonend reisen kannst, findest du ebenfalls bei Deeper Travel: Earth Hour 2018: Tipps zum klimaschonenden Reisen.
Einen Artikel habe ich noch, der auch sehr interessant und lesenswert ist: Nachhaltigkeit leben: Wie sinnvoll ist es, die eigene CO2 Emission zu kompensieren?
Das auch viel Schindluder getrieben wird, zeigt CO2-Kompensation durch Waldschutz hält nicht, was sie verspricht.
Mein Fazit
Insbesondere im Hinblick auf die Tatsache, dass wir mit unserer Erde noch nie so nahe am Kollaps standen (im Hinblick auf einen lebenswerten Planeten), sehe ich die Möglichkeit der CO2 Kompensation mittlerweile sehr kritisch, weil man durch die Kompensation sein Gewissen beruhigt, aber das CO2 bekommt man deshalb nicht aus der Luft.
Und auch, weil mit der Kompensation viel Schindluder getrieben wird (siehe Artikel zum vermeintlichen „Waldschutz“). Meine Konsequenz: ich fliege nicht mehr und mache all meine Urlaube mit der Bahn und Öffis in Kombination mit Rücksack oder Fahrrad.
Wirst du deine Urlaube in Zukunft kompensieren? Wenn nein, warum nicht?
Lieber Horst,
vielen lieben Dank, dass du meinen Artikel in deinem verlinkt hast. Freu mich sehr über jeden, der zum Thema Nachhaltig schreibt. Toller Beitrag. Danke.
Liebe Grüße
Moni von minime.life