Der Gruberhof, Biobauer in Saalfelden ist im Besitz von Karin und Ernst Moßhammer. Sie betreiben den Hof seit 1994 biologisch.

Ich war zu Besuch bei diesem Biobauern aus Überzeugung und habe dabei sehr viele, interessante Dinge erfahren. Mir war vor allem auch wichtig zu erfragen, wie sich das alles wirtschaftlich ausgehen kann. Von anderen Bauern hört man immer wieder das Argument, dass man durch „zu viel“ Bio und schauen auf Natur (Reizwort Renaturierungsgesetz) wirtschaftlich einfach nicht überlebensfähig wäre. Im Bürokratismus untergehen würde.

Ankommen am Gruberhof

Herzlicher Empfang und der Neuntöter

Kurz bevor wir auf dem Hof ankommen, kommt uns Ernst auch schon entgegen. Er hat uns kommen sehen und weist uns gleich mit erkennbarem Stolz darauf hin, dass in dieser Wiese – er deutet auf die Wiese neben uns – dieses Jahr 3 Neuntöter-Paare brüten.

Nein, Neuntöter sind keine Serien- oder Massenmörder. Der Vogel hat seinen Namen von der Art, wie er mit seiner Beute umgeht. Er spießt sie als Nahrungsreserve und zur Bearbeitung auf Dornen auf. Und da man früher angenommen hat, dass er erst 9 Tiere aufspießt, bevor er eines frisst, ist er zu diesem brachialen Namen gekommen.

Neuntöter sind Jäger von Großinsekten, wie Heuschrecken und benötigen reich strukturierte Heckenlandschaften. So wie sie diese auf dem Gruberhof nun auch wieder vorfinden.

Wie alles begann

Wir versammeln und vor dem Hof, nachdem uns am weiteren Weg dorthin Ernst ein Wespennest zeigt, welches kürzlich von einem Dachs ausgeraubt und zerstört wurde. „Das ist eben die Natur“, sagt er.

Karin Moßhammer, die Frau am Biobauernhof, ist Fotografin. Sie hat sich auf Makrofotografie spezialisiert – also kleine Dinge, wie Bienen, Käfer und Schmetterlinge bildfüllend darzustellen.

„Wie kann es sein, dass wir eine Landwirtschaft betreiben, ich aber zum Fotografieren von Insekten woanders hinfahren muss?“

Das war für sie der Startschuss, ihren bis dahin klassisch geführten Hof nach und nach der Nachhaltigkeit zu widmen. Darauf zu achten, dass auf ihrem Hof wieder mehr Biodiversität Einzug nimmt.

„Damit Karin die Viechalein auch wieder bei uns Zuhause fotografieren kann“, meint Ernst. Schlampigkeit zulassen. Ja, in der Tat schlampig nennen es manche, wenn man als Bauer Blühstreifen stehen lässt.

Umdenken am Gruberhof

Für die Saalfeldener hat auf jeden Fall ein Umdenkprozess begonnen. Langsam und mit Bedacht. Zu Beginn einfach nur den Zaun nicht mehr freischneiden. Schon diese kleine Maßnahme hat ihnen gezeigt, dass an diesen Stellen sehr viel mehr Insekten zu finden waren. Karin freute sich über die Fotomotive und Ernst war angefixt.

Wenn schon durch so eine kleine Maßnahme eine Veränderung zu erkennen war, dann will er den Weg weitergehen. Auf immer mehr Flächen das Gras stehen lassen. Und sich freuen, wie er immer mehr Vielfalt auf seinem Hof wiederfindet. Mehr „Viechalein“ zu sehen sind.

Er beginnt Bücher über Biodiversität zu lesen und sucht nach jedem neu entdeckten Insekt oder auch Vogel, die er auf seinem Hof findet, auch im Internet.

Bäume – Sträucher – Wiesen

Eines der Schlagworte, das uns Ernst näher bringt und folgendermaßen erklärt: viele Insekten brauchen zuerst die Bäume, um sich zu verpuppen, die Sträucher und Wiesen zum Verstecken und zur Nahrungsaufnahme.

Bäume – Sträucher – Wiesen

Cool, dass man das wirklich auch auf seinem Grundstück sehr gut beobachten kann: Bäume, dann ein paar Sträucher und 1-2 Meter stehen gelassenes, hohes Gras. Von den Bäumen über die Sträucher ins (hohe) Gras. Viele Insekten und auch Vögel brauchen das.

Kühe halten – aber anders

Weniger ist mehr

Dass weniger auch mehr sein kann, erklärt uns Ernst anhand seiner Änderungen in Bezug auf die Haltung seiner Kühe. 42 waren es früher, jetzt sind es 30. Dafür lässt er ihnen wieder Hörner wachsen und hat im Stall alles ausgebaut, was die Kühe am gefahrlosen und freien Herumlaufen hindert.

Mit 42 Kühen meint er, wäre es möglicherweise zu eng im Stall gewesen. Zu eng, um sie frei laufen zu lassen. Klar, anbinden könne man natürlich mehr auf engerem Raum, aber das will er nicht mehr.

Kein Kraftfutter – mehr Gesundheit

Er füttert die Kühe auch nicht mehr mit Kraftfutter. Das Kraftfutter fördert zwar das Wachstum der Kühe und sie würden auch merklich mehr Milch geben, aber dafür leidet ihre Gesundheit darunter. Leber und anderen Organe werden dadurch übermäßig beansprucht.

Seit er seinen Kühen kein Kraftfutter mehr gibt, sind sie merklich gesünder und er spart sich so Tierarzt-Kosten. Seine Tiere bekommen nun wieder mehr sein eigenes Futter und auch wenn sie anfangs vom länger stehenden und darum „zäheren“ Gras nicht so angetan waren – sie gewöhnen sich auch an das. Frisches Gras gibt’s eh auf der Weide.

Insekten-Schnetzler – nein Danke!

Geschwindigkeit ist (nicht) alles

Ja, klar ist man mit einem Kreiselmäher schneller. In etwa doppelt so schnell. Dafür killt man aber 90 % der Insekten, weil die schnell rotierenden Messer das Gras mehrmals schneiden und deshalb eben sehr viel mehr Insekten gehechselt werden, als mit einem Doppelmesser-Mähwerk.

Und statt 4 cm mäht man auf dem Gruberhof auf 8 cm. Auch das lässt mehr Insekten überleben.

Ernst vor dem Doppelmesser-Mähwerk

Ja, klar – die Zeit spielt schon eine Rolle, denn neben der längeren Mähzeit wollen auch die Messer des Doppelmesser-Mähwerkes (die man gar nicht mehr so einfach bekommt, weil es kaum noch Nachfrage gibt) regelmäßig nachgeschliffen werden. Aber das ist es Ernst wert. Wenn nach dem Mähen nicht alles wieder verstummt, dann ist er zufrieden und schlendert zufrieden seinen Wiesen entlang.

Wie viele Insekten sterben nun wirklich?

Ich habe ein wenig im Internet recherchiert und je nach Quelle bekommt man völlig andere Zahlen präsentiert. So beschäftigt sich die Universität Hohenheim zwischen 2021 und 2025 mit insekten- und spinnenfreundlichen Mähtechniken. Eine Arbeit aus dem Jahr 2002 zu Heuschrecken berichtet von einer 70–90 prozentigen Mortalität von Heuschrecken durch die Mahd. Befragt man ChatGPT ist das Ergebnis 50-80 % bei Kreisel – Mähwerken zu 10 % beim Doppelmesser-Mähwerk.

Bauernzeitungen (bin auf welche aus Österreich und der Schweiz gestoßen) stellen „gewisse Studien“ infrage und sprechen von 5 % beim Doppelmesser-Mähwerk und 20 % beim Kreisel-Mähwerk. Räumen aber auch ein, dass „größere Insekten einem überproportional größeren Verletzungsrisiko ausgesetzt“ sind. Zahlen erspart man sich hier.

Welchen Zahlen man auch immer mehr Glauben schenken will: Fakt ist, dass die modernen Kreisel-Mähwerke sehr viel mehr Insekten töten, als Doppelmesser-Mähwerke.

Amphibien

Nicht nur Insekten und Vögel, auch Amphibien haben es auf dem Gruberhof besser. So hat Ernst einen Wassergraben bewusst zurückgestaut und einen kleinen Teil um den Graben versumpfen lassen. Auch ein kleiner Naturteich ist so entstanden. Mit Erfolg: es laichen nun auch vermehrt Frösche.

Dann findet man an der Randzone des Grabens hier auch die Wespenspinne. All das zeigt uns Ernst mit großer Begeisterung. Wenn er doch mit dieser Begeisterung an der Artenvielfalt auch andere Bauern anstecken könnte!

Ob er das denn tun würde, war eine der Fragen unserer Gruppe. „Wäre schön, wenn es so wäre, aber das passiert kaum.“ Eher wurde er anfangs als Träumer und Spinner angesehen. Aber er wird ab Herbst 2024 in Salzburg Kurse abhalten und hofft, hier durch sein Praxiswissen den ein oder die andere von seiner Art der Landwirtschaft überzeugen zu können.

Seine Buam

Was halten denn seine Jungs von dieser Ausrichtung der Landwirtschaft? Werden sie mit der Übernahme des Hofes alles wieder zurückbauen? In einen „modernen“ Betrieb und wieder rein auf Wirtschaftlichkeit ohne Rücksicht auf Verluste setzen?

Ich habe während unseres Rundganges über die Wiesen und durch den Wald mit ihnen gesprochen. Nein, sie werden auf keinen Fall wieder mehr Kühe haben wollen. Im Gegenteil. Sie streben sogar einen langsamen Umbau zu immer weniger Kühen an. Bis zur kompletten Aufgabe der Viehwirtschaft, hin zu einem Bio-Gemüsehof. Aber wie auch der Vater mit Geduld und Bedacht.

Schließlich wollen sie den Hof ja nicht aufgeben, sondern noch weniger Fußabdruck mit dem Betrieb des Hofes hinterlassen.

Und die Wirtschaftlichkeit?

Ja, seit der Gruberbauer seine Kühe nicht mehr mit Kraftfutter füttert, geben sie deutlich weniger Milch, was auch seine Einnahmen verringert. Aber die Kostenersparnis, weil er sich die Kosten für das Kraftfutter spart und auch weniger oft den Tierarzt braucht, macht einen Teil der geringeren Milchleistung wieder wett, ist Ernst überzeugt.

Da er einen großen Teil seiner Wiesen nur noch 2x im Jahr mäht und auch seine Zäune und Gräben nicht mehr ausmäht, spart er sich auch 50 % Diesel. Statt wie früher mit 3.500 Liter kommt er nun mit deutlich unter 2.000 Liter aus.

Sein Fazit

Ja, der Bürokratismus in Bezug auf Förderungen sei teilweise ärgerlich. Zum Beispiel, dass manche Förderungen 5 Jahre Laufzeit haben und man somit mehr oder weniger 5 Jahre in Bezug auf Änderungen auf den Feldern blockiert ist, wenn man die Förderung nicht riskieren will.

Aber er würde es auf jeden Fall wieder so machen!

Wenn man wirklich will, dann kann man eine Landwirtschaft so führen, dass es deutlich mehr Biodiversität gibt, ohne wirtschaftlich zugrunde zu gehen. Und das macht ihn sehr zufrieden. Weil die Frau jetzt vor der Haustür „Viechalein“ fotografieren kann und es ihn auch sehr freut, dass mittlerweile neben vielen Vögeln und Insekten über 800 Schmetterlingsarten auf seinen Wiesen gesehen wurden.

Weitere Informationen findest du im Hofportrait Gruberhof – Saalfelden.