Zuletzt aktualisiert am 28. Februar 2024 um 7:43
Windkraft wird als eine der am vielversprechendsten Formen der Energiegewinnung gehandelt, dabei rotten sie unsere Vögel aus! Zahllose Vögel verenden an deren Rotorblättern. Ist Windkraft also schuld am Vogeltod?
Dieser Artikel beleuchtet die sehr unterschiedlichen Zahlen, die dazu im Netz zu finden sind, etwas näher. Am Ende des Artikels wirst du dir auf jeden Fall eine etwas differenziertere Meinung bilden können, denn ich habe mich durch unzählige Webseiten gewühlt.
Inhalt
Getötete Vögel in Zahlen
Windräder / Windkraft
Die Windenergie ist in Verruf geraten. Oder anders formuliert: wird von manchen schon von Beginn an aus unterschiedlichen Gründen massiv kritisiert. Auch wenn die Rotoren der Windkraftanlagen auf den ersten Blick als sehr langsam und träge erscheinen: das äußere Ende des Rotorblattes erreicht je nach Durchmesser und Drehgeschwindigkeit des Rotors um die 400 km/h. Wehe dem Vogel, der sich da gerade in der Nähe aufhält!
Selbst Greifvögel, wie zum Beispiel Rotmilane, die für ihre hohe Sehkraft bekannt sind, sehen die Rotorblätter zu spät bzw. können deren Geschwindigkeit nur schlecht abschätzen.
Man schätzt, dass in Deutschland jährlich zwischen 10.000 und 100.000 Vögel durch die Kollision mit einer Windkraftanlage (dem Mast oder dem Rotor) getötet werden. „Man“ ist in diesem Fall der deutsche Naturschutzbund.
Den großen Schwankungsbereich der Schätzung erklärt der deutsche Naturschutzbund zum einen dadurch, dass kleine Vögel sehr schnell von Aasfressern weggetragen würden. Man geht davon aus, dass weniger Vögel gefunden würden, als in Wirklichkeit beim Zusammenstoß mit einer Windenergieanlage verunglücken würden und rechnet entsprechend hoch.
Und zum anderen, weil die Vögel oft nicht sofort getötet werden und sich dadurch nicht direkt im näheren Umkreis eines Windrades finden lassen. Auch das versucht man in den Schätzungen zu berücksichtigen.
10.000 bis 100.000 Vögel bedeutet bei aktuell etwa 29.000 Windrädern in Deutschland (Stand 2019), dass statistisch 1/3 – 3 Vögel pro Jahr und Anlage getötet werden.
Autos & Züge
Zu Autos gibt es kaum konkrete Zahlen zu finden. Interessant, dass das niemanden zu interessieren scheint.
Was ich aber gefunden habe, sind Zahlen über Züge, wenn auch ebenfalls in einer immensen Schwankungsbreite. So spricht man von 30 bis 6.100 Vögel pro 100 km, abhängig von der Geschwindigkeit. Die hohe Anzahl von 6.100 wird dabei nur bei Hochgeschwindigkeitszügen mit über 200 km/h erreicht. In diesem Artikel geht man von 2.000 Opfern bei einer Höchstgeschwindigkeit von 160 km/h aus.
Das Bahnnetz in Deutschland ist laut Die Länge des Eisenbahn-Schienennetzes im internationalen Vergleich insgesamt 33.440 km lang. Damit kommen wir insgesamt auf 10.000 bis 2.040.000 tote Vögel pro Jahr.
In gleichen Artikel findet man dann indirekt auch Zahlen zum Autoverkehr. So sollen im Autoverkehr auf 100 km Straßenlänge in etwa halb so viele Vögel getötet werden, wie durch Züge. Nimmt man Gemeindestraßen aus, so verfügt Deutschland über 231.000 km an Straßen (Quelle: Straßennetz – Wikipedia).
Die gleiche Schwankungsbreite angenommen als bei Zügen würden damit jährlich 69.000 bis ca. 14 Millionen Vögel geopfert.
Solltest du an Details interessiert sein, dann findest du unter Hinweis zur ökologischen Wirkungsprognose 1 viele weitere Zahlen und Infos. Wie zum Beispiel, dass im Zugverkehr besonders viele Eulen betroffen sind. Dort wird auch etwas klarer, warum es zu so hohen Schwankungsbreiten bei den Zahlen kommt. Je nach Geschwindigkeit und Beschaffenheit der Umgebung, kommt es zu völlig unterschiedlichen Opferzahlen.
Vogelschlag an Gebäuden
Darf es noch ein bisschen mehr sein? Sehr viel mehr?
Man schätzt, dass an den Fensterscheiben von Wohnhäusern in Deutschland pro Wohnhaus 1-10 Vögel verenden. Das sind jährlich 18 Millionen (!) Vögel, laut anderen Publikationen bis zu 100 Millionen.
Das sind etwa 200 bis 1000 Mal mehr, als durch Windräder. Warum liest man davon nichts in der Presse? Dabei könnte man durch entsprechende Maßnahmen unzähligen Vögeln das Leben retten. Es gibt dazu vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland eine entsprechende Broschüre zum Download.
Katzen
Jetzt heißt es stark sein für alle Katzenliebhaber. Auch wenn ich nichts dafür kann, wird mich für diese Info so manche(r) wohl hassen.
Eine Katze tötet jährlich 5-20 Vögel (Quelle: Katzen fressen Vögel | bund-rvso.de), was bei 8 Millionen Katzen in Deutschland ca. 40 bis 160 Millionen jährlich getötete Vögel ergibt.
Jede einzelne Katze tötet durchschnittlich damit also in etwa so viele Vögel wie 5 Windräder zusammen. Wird das in der Presse immer wieder einmal breitgetreten oder regen sich darüber unzählige Leute in den sozialen Medien auf? Nein. Nicht dass ich wüsste.
Weitere Ursachen für das Vogelsterben
Nicht unerwähnt sollten jene Vögel bleiben, die durch das massive Insektensterben der letzten Jahre zu wenig Nahrung finden und damit verhungern. 75% der Insekten sind in den letzten 30 Jahren verschwunden. Ausgelöst unter anderem durch Gifte auf den Äckern und Monokultur. Die Änderung der landwirtschaftlichen Nutzung wird sogar als Hauptgrund des Rückganges vieler Vogelarten verantwortlich gemacht. (Quelle: NABU: Wer ist schuld am großen Vogelschwund?)
Es gibt also unzählige Ursachen, die unsere Vögel töten, die in Zahlen oft auch nur schwer festzumachen sind.
Grafische Übersicht
Eine Grafik zeigt sehr viel klarer die Relation zwischen den einzelnen Verursachern für getötete Vögel. Hier also die im Netz gefundenen Zahl im Überblick.
Dabei stellen die blauen Balken die Minimal-Schätzungen dar und die orangen Balken die Maximal-Schätzungen. Rein von der Anzahl der getöteten Vögel gehen Windenergieanlagen mehr oder weniger komplett unter.
Sind sie deshalb aber als völlig unproblematisch anzusehen?
Windräder und tote Vögel – viel Wind um nichts?
Windräder in den (sozialen) Medien
Über tote Vögel durch Windräder wird sehr viel geschrieben und in den sozialen Medien regen sich Gegner von Windrädern ganz fürchterlich über die „Katastrophe Windräder“ auf.
In den sozialen Medien wird generell sehr emotional diskutiert. Wenn man das noch diskutieren nennen kann, was in Facebook und Twitter an Eskalationen und persönlichen Angriffen oft abläuft. Das Thema Windenergie stellt hier keine Ausnahme dar. Dort genannte Zahlen und „Fakten“ sollte man also generell mit ganz besonderer Vorsicht betrachten.
Nur um nicht falsch verstanden zu werden: als Naturliebhaber empfinde ich jeden einzelnen toten Vogel als schlimm. Jeder tote Vogel ist exakt ein toter Vogel zuviel.
Autos in den (sozialen) Medien
Würde man sich aber über die getöteten Vögel durch Autos ähnlich massiv beschweren, wie über jene durch Windkraft getötete Vögel, gäbe es wohl schon längst sogar im Autoland Deutschland ein Tempolimit auf Autobahnen.
Das Gegenteil ist aber der Fall. In den sozialen Medien wird ein Tempolimit vehement, lautstark und äußerst emotional abgelehnt. Man würde den Deutschen ihre „Freiheit nehmen“ und beschwert sich generell über die (angeblich) vielen Verbote, die die Freiheit jedes einzelnen sinnlos einschränken würden. Kein Wort über auch nur einen getöteten Vogel.
Katzenverbot!
Und ein Verbot von Katzen? Ja, ich weiß, damit latsche ich zum zweiten Mal mit voller Wucht in eine Tretmine der Emotionen. Aber keine Sorge, die Frage eines Katzenverbotes stellt sich natürlich nicht.
Aber wäre das so an den Haaren herbeigezogen, wenn es nur um das Wohl der Vögel ginge? Warum setzt man hier völlig andere Maßstäbe an, als bei Windrädern?
Problemfall Rotmilan
Gefährdete Art
Insbesondere, wenn es besonders gefährdete Arten wie zum Beispiel den Rotmilan trifft, kann jeder einzelne getötete Vogel zu einer Bedrohung der Art werden. Und das soll an dieser Stelle nicht verschwiegen werden: Katzen töten vorwiegend kleinere Vögel, auf keinen Fall einen Rotmilan.
Der Rotmilan hat in Deutschland seine größten Vorkommen, über die Hälfte der Weltpopulation dieses Greifvogels lebt in Deutschland. Das sind ca. 11.800 Paare (Quelle: Rotmilan | greifvogel.com). Deshalb hat Deutschland eine ganz besondere Verantwortung für diesen Greifvogel.
Weitere Daten zur Verbreitung des Rotmilans findest du in der Wikipedia | Rotmilan.
Getötete Rotmilane durch Windkraftanlangen
Im Netz kursieren zu den getöteten Rotmilanen durch Windkraft ähnlich zur Gesamtzahl aller getöteten Vögel sehr unterschiedliche Zahlen. Je nachdem, ob man Gegnern oder Befürwortern Glauben schenken will, glaubt man am Ende wohl auch anderen Zahlen und stellt die Zahlen der jeweils anderen Gruppe in Frage.
So spricht man einerseits von 500 gemeldeten Rotmilanen in Deutschland seit 2002 (also 29 jährlich) über 400 und bis zu 1.500 getöteten Rotmilanen im Jahr. Würde die letztgenannte Zahl stimmen, würde es in Deutschland schon längst keine Rotmilane mehr geben, diese Zahl kann also unmöglich stimmen.
Die Zahlen sind auch deshalb so unterschiedlich, weil es bisher zu wenig flächendeckende Untersuchungen gibt und das Verhalten der Vögel je nach Gebiet und Zeit (Brutzeit ja oder nein) sehr unterschiedlich ist. Einfache Hochrechnungen der Untersuchungen in einem kleinen Gebiet und engem Zeitraum auf das gesamte Bundesgebiet sind deshalb entsprechend großen Ungenauigkeiten unterworfen.
In einem ausführlichen Fakten-Check des Naturschutzbundes NABU (PDF) sind folgende Zahlen zu finden: im Bundesland Brandenburg wurden zwischen 1991 und 2014 von insgesamt 237 gefundenen Rotmilanen 69 Rotmilane nachweislich durch Windenergieanlagen getötet. Das sind 3 Rotmilane pro Jahr in Brandenburg.
Quellen unter anderem: Windkraft – Gefahr für Vögel, Gefahr Windkraftanlage – W wie Wissen (beide ARD) und Artenschutz als vorgeschobenes Argument gegen Windräder (Deutschlandfunk)
Verhalten des Rotmilans und Gegenmaßnahmen
Das Verhalten der Greifvögel wird sehr genau beobachtet, um daraus entsprechenden Maßnahmen zu ihrem Schutz ableiten zu können. So müssen zum Beispiel in manchen Gebieten die Windräder für mehrere Tage stillgelegt werden, nachdem die Äcker frisch gemäht wurden, da die Rotmilane dann besonders gern auf Jagd gehen.
Es gibt auch Vogel-Erkennungssysteme, die Windkraftanlagen für eine bestimmte Zeit automatisch abschalten können.
Getötete Rotmilane durch Autos
Deutsche brettern gerne uneingeschränkt über ihre mehrspurigen Autobahnen. Ein Verkehrsminister, der laut eigenen Aussagen Autos liebt, verteidigt die ungebremste Raserei nach wie vor. Ich möchte wirklich keinen deutschen Autobahnraser und „Verteidiger seiner Freiheit“ mehr hören, der sich über durch Windkraft getötete Vögel beschwert! Die Raserei hat gesellschaftlich keinen Wert, Windenergieanlagen aber sehr wohl.
Im oben erwähnten Fakten-Check des NABU gehen 41 getötete Rotmilane in Brandenburg zwischen 1991 und 2014 auf Kosten der Autofahrer.
Vergiftete Rotmilane durch Greifvogelhasser
Ja, leider gibt es auch so etwas. In Österreich gibt es nur sehr wenige Rotmilane, man geht von ein paar Dutzend Brutpaaren aus. So sollen es in Oberösterreich nur 20 Brutpaare sein. Besonders bitter, wenn Greifvogelhasser dann 2 Rotmilane vergiften. (Quelle: Rotmilan in Meggenhofen durch illegales Pflanzenschutzmittel verendet | nachrichten.at)
Im Bundesland Brandenburg in Deutschland wurden laut NABU zwischen 1991 und 2014 insgesamt 21 Rotmilane vergiftet.
Allheilmittel Atomkraft?
Die oft erwähnte Atomkraft als angebliches Allheilmittel unserer Energieprobleme bekommt durch die Nachhaltigkeits-Debatte neuen Aufwind (haha – Aufwind!).
Sie hat aber einen ganz gravierenden Nachteil: passiert ein Unfall, sind die Auswirkungen verheerend. Tschernobyl und Fukushima lassen grüßen. Und selbst wenn man das Thema Sicherheit durch neue Reaktor-Typen besser unter Kontrolle bringen sollte, so bleibt am Ende immer noch die Lagerung des Atommülls.
Aber auch das will man mit dem „Schnellen Brüter“ gelöst oder zumindest stark minimiert wissen. Fun-Fact am Rande: ich habe bereits während meiner Schulzeit im Jahr 1982 ein Referat über den schnellen Brüter gehalten. Sehr weit ist man in den letzten 35 Jahren also nicht gekommen. Details zur sogenannten 4. Generation der Atomreaktoren findest du in einem sehr ausführlichen Artikel unter: Energieversorgung – Kann Atomkraft den Klimawandel stoppen? | sueddeutsche.de
Sehr interessant in diesem Zusammenhang ist auch ein Artikel der Austrian Energy Agency: Atomkraft weder klimafreundlich noch wirtschaftlich.
Mein Fazit
Die Windenergie zählt zu den saubersten, sichersten und nachhaltigsten Arten der Energie-Erzeugung. Wenn man diesen sehr positiven Aspekt berücksichtigt, halte ich die Kritik an den Windkraftanlagen für völlig überzogen!
Der Klimawandel ist für Vögel auf jeden Fall ein weitaus größeres Problem, als Windräder.
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