Zuletzt aktualisiert am 26. März 2023 um 8:44
Die Begriffe Lebensstandard und Lebensqualität werden gerne gleichgesetzt. Oder zumindest sind viele der Meinung, dass ein hoher Lebensstandard gleichbedeutend mit einer hohen Lebensqualität ist und sträuben sich gegen jedwede Veränderung. Aber stimmt das? Bedeutet ein hoher Lebensstandard wirklich eine höhere Lebensqualität?
Inhalt
Was versteht man unter Lebensstandard?
Definition
Der Lebensstandard ist so etwas wie eine Messgröße für den Wohlstand eines Menschen oder einer Gruppe von Menschen. Er ist anhand verschiedener Faktoren messbar und ermöglicht so, den Wohlstand vergleichbar zu machen. Neben materiellen Dingen wie dem Besitz von Auto, Kühlschrank etc. finden sich darunter auch Dienstleistungen, wie der Zugang zu ärztlicher Versorgung oder sauberem Wasser.
Die etwas sperrige Definition in der Wikipedia klingt dann so:
„Lebensstandard drückt das reale Niveau des Besitzes und Konsumierens von Gütern und Dienstleistungen aus und ist als quantitative Größe objektiv messbar. Demnach wird damit der materielle Wohlstand und das physische Wohlbefinden für einen Menschen, eine soziale Gruppe, einer sozialen Schicht, eines bestimmten Gebietes oder eines Staates vergleichbar gemacht.“ – Quelle: Wikipedia
Mein Haus, mein Auto, mein Boot
Wer erinnert sich noch an die Werbung einer Bank „Mein Haus, mein Auto, mein Boot!“? Zwei Männer unterhalten sich lautstark in einem Kaffeehaus über ihre Erfolge und lenken damit die Blicke der anderen auf sich. Am Ende dann die Werbung für eine Anlageform der besagten Bank, die jener nutzt, der noch mehr besitzt. Viel platter kann man die Aussage nicht bestärken, wie geil doch Besitztum und Reichtum wäre.
Oder wenn sich eine pinke Politikerin vor die Presse stellt und sich darüber beklagt, dass sich wegen der hohen Energiepreise die Menschen in unserem Land nun schon gar überlegen müssten, ob sie im kommenden Jahr in den Urlaub fahren oder lieber im Winter heizen wollen und die Regierung auffordert, die Menschen doch endlich zu unterstützen. Auch damit ist Lebensstandard gemeint. Allerdings auf einem sehr hohen Level.
In Mitteleuropa ist der Lebensstandard sehr hoch und hier sieht es ein großer Teil der Bevölkerung als Recht, mindestens einmal im Jahr in den Urlaub fliegen zu können, in einer großen Wohnung oder einem Haus zu leben und in der Garage ein bis 2 Autos stehen zu haben. Große Autos natürlich.
Von den Luxusyachten, Privatflugzeugen bis zu den Ausflügen ins Weltall der Superreichen einmal ganz zu schweigen.
Höher, schneller, stärker und vor allem mehr davon
Unser Weltbild hier in Europa ist vor allem dadurch geprägt, dass ein Mensch in seinem Leben nur dann als erfolgreich gilt, wenn er Jahr für Jahr mehr Besitztümer ansammelt. „Mein Haus, mein Auto, mein Boot“ eben.
Die Sache hat aber einen Haken: Die dafür notwendigen Ressourcen sind auf unserer Erde nicht vorhanden und die Ökosysteme leiden darunter mehr und mehr. Stichwort Klimakrise und globale Erwärmung.
Die nach wie vor viel zu viele Menschen leugnen, da sie sich auf keinen Fall ändern wollen und nur allzu gerne immer noch fettere SUVs fahren und sich den hochverdienten, jährlichen Urlaubsflug oder die Kreuzfahrt in ihren neuesten Klamotten von Ökotussis und naiven, grünen Bobos nicht vermiesen lassen wollen.
Man habe sich das schließlich auch verdient. So wie auch die tägliche Ration Fleisch, die laut Werbung ja selbstverständlich eh „Fair zum Tier“ in der Kühltheke gelandet ist. Genau dafür hat man auch hart gearbeitet!
Leben auf dem Rücken anderer
Aber haben wir uns das wirklich „verdient“? Oder ist es nicht viel mehr so, dass wir andere Menschen auf unserer Erde ausnutzen und ausbeuten? Unsere Kleidung kann nur deshalb so billig und Fast-Fashion nur deshalb leistbar sein, weil unsere ach so erfolgreichen Unternehmen ihre Fertigung in Billiglohnländer auslagern. Wo Umweltschutz und das Wohlbefinden der Arbeiter:innen keine Rolle spielen (→ Profit über alles – zum Leidwesen der Natur).
Unser hoher Lebensstandard beruht zu einem großen Teil auf dem Leid anderer. Und der Umwelt.
Verdient? Nein, ganz und gar nicht! Wir haben einfach nur ungemein viel Glück, hier geboren zu sein. Wenn du das als Leistung siehst, dann solltest du einmal ein wenig in dich gehen. Ja, jetzt gleich! Du könntest auch in Indien geboren sein und für Leute wie uns hier in Mitteleuropa 14 Stunden am Tag schuften müssen. Barfuß, in giftigen Chemikalien stehend. Für so wenig Geld, dass du gerade einmal genug zu essen hast.
Bist du immer noch der Meinung, dass es dein wohlverdientes Recht wäre, jedes Jahr in den Urlaub zu fliegen, täglich Fleisch zu essen und einen fetten SUV zu fahren?
Falsche Wertvorstellungen
Macht Luxus wirklich glücklich? Oder anders gefragt: kann er uns auch dann noch uneingeschränkt glücklich machen, wenn wir die Folgen unseres Handelns ernsthaft betrachten? Die katastrophalen Auswirkungen auf die Umwelt und auf das Wohlbefinden oder richtiger das Leid anderer Menschen?
Auch wenn noch so viele unseren Einfluss auf das Klima leugnen: es ist Fakt, dass wir durch den Lebensstil in den wohlhabenden Ländern unsere Erde für nachfolgende Generationen mehr und mehr unbewohnbar machen. Und für Menschen in den Entwicklungsländern das schon jetzt tun. Dürre und Hungersnot sind die Konsequenz. Ja, auch eine Konsequenz unseres Handelns hier bei uns.
Aber da sind wir beim Verdrängen ganz super und leugnen jeglichen Zusammenhang. Und wenn dann jemand meint, zu uns flüchten zu müssen, knallt ihnen die Festung Europa die Tür vor der Nase zu. Wäre ja noch schöner, wenn massenhaft Sozialschmarotzer an unserem Wohlstand nagen und unseren Lebensstandard senken würden.
Dieser materialistische Ansatz ist einfach falsch und unsere Wertvorstellungen müssen sich ändern! Wachstum um jeden Preis führt uns mittel- bis langfristig ins Verderben, davon bin ich überzeugt.
Von Lebensstandard zu Lebensqualität
Besitztum über alles?
Die Werbung hat nur eine Botschaft für dich: Das Glück des Habens wäre unendlich, das Erwerben von Dingen ein wahres Erlebnis. Sie setzt ganz bewusst auf Emotionen wie Freude und Liebe und verbindet damit ihre Produkte. Je mehr du also besitzt, umso glücklicher solltest du nach dieser Logik sein.
Und trotzdem sind so viele Menschen von uns unglücklich. Wie kann das sein, wenn wir doch eh schon einen größeren SUV besitzen, als die meisten unserer Nachbarn? Okay, der Banker von gegenüber hat noch einen größeren und auch noch 2 richtig geile Sportwagen, das wurmt schon etwas. Dafür hat ihn gerade seine Frau betrogen, das geschieht dem arroganten Schnösel recht!
Besitz belastet
Jedes Ding, dass du kaufst, raubt auch etwas von deiner Aufmerksamkeit und deiner Lebenszeit. Zumindest so lange, bis es in irgendeiner Ecke ungenutzt Staub ansammelt. So bleibt dir am Ende durch jede Anschaffung auch weniger Zeit für dich selbst. Für kreatives Nichtstun.
Bedenke das, wenn du dich wieder einmal mit etwas „belohnen“ oder im Internet glücklich klicken willst. Dieses Glück ist zumeist nur von kurzer Dauer, und schreit schon ganz schnell nach Wiederholung. Aber da du ja viel arbeitest, kannst du dir das alles locker leisten und verdienst dir diese Belohnung auch. Erkennst du den Teufelskreis?
Verzichten? Ich? Niemals!
Unser Lebensstandard ist sehr viel höher als in anderen Ländern. Was wir als selbstverständlich empfinden, ist in vielen anderen Ländern unerreichbar. Also, selbst wenn wir uns einschränken, ist unser Leben immer noch ein Leben mit sehr viel Luxus.
Das solltest du beim nächsten Mal bedenken, wenn du ohne viel nachzudenken einfach einen neuen Fernseher oder Handy kaufst. Nicht das neueste Handy zu besitzen, hat rein gar nichts mit Verzicht zu tun. Eher mit Vernunft.
Und wie komme ich nun zu mehr Lebensqualität?
Alles nur eine Sache der Einstellung / Umstellung?
Der Klimamönch Edmund Brandner hat den Selbstversuch gewagt: wie sieht ein Leben aus, welches so manche Klimaschützer von uns verlangen? So hat er sein Auto verkauft, auf Flugreisen verzichtet und neben seiner Ernährung (kein Fleisch) noch einiges mehr in seinem Leben umgestellt.
Für viele wäre so etwas ein Verlust an Lebensstandard. Trotzdem kann das aber auch eine Steigerung der Lebensqualität bedeuten, indem man einfach zwangsläufig neue Dinge ausprobiert. Beim Klimamönch war das ein Urlaub mit dem Zug oder die Fahrt zur Arbeit mit dem Fahrrad. Am Ende war er nach einer gewissen Umstellungsphase sehr glücklich damit und fühlte sich um Längen fitter und auch gesünder.
Bei mir war das zum Beispiel meine Wanderung von Salzburg nach Innsbruck als Alternative zu einem damals anfangs geplanten Wanderurlaub auf Mallorca.
Und der Umstieg auf Öffis oder Fahrrad auf dem Weg zur Arbeit. Vor dem 1. Mal habe ich mir das recht schlimm vorgestellt, denn immerhin verliert man dadurch Flexibilität und auch Zeit. Mit dem Auto 25 Minuten, mit Fahrrad 50 Minuten, mit Öffis gar 1 Stunde 10 Minuten. Trotzdem war ich dann davon begeistert.
Mit Öffis zu fahren ist viel entspannender, als selber zu fahren, die kurzen Strecken zu Fuß durch die Stadt habe ich richtig genossen. Eine klare Steigerung der Lebensqualität, das ich so nicht erwartet hatte! Die zuvor verloren geglaubte Zeit hat sich eher als gewonnene Zeit entpuppt.
Was ist dir wirklich wichtig im Leben?
Wenn du dir öfter einmal die Frage stellst, was dir wirklich wichtig im Leben ist, kann das deine Lebensqualität immens steigern. Freunde treffen oder deinen Instagram Account aufpolieren? Möglichst viel zu arbeiten und deinen materiellen Besitz maximieren oder evtl. doch etwas weniger arbeiten und das Leben genießen?
Also strebst du danach, deinen Lebensstandard zu erhöhen oder doch lieber die Lebensqualität zu verbessern? Für mich ganz klar zweiteres. Denn sehr häufig geht das auch damit einher, dass man umweltbewusster lebt. Win-Win also.
Ich habe den Größten Kleinsten!
Statt danach zu streben, stets den Größten haben zu müssen (Haus, Auto, …), also den Lebensstandard zu maximieren, könntest du dich auch umorientieren und voller Stolz auf deinen kleinen Zoe verweisen. Ein Auto, welches arrogante Zeitgenossen mit „das ist doch kein Auto“ abwerten, mit Stolz und Freude fahren.
Und wenn wieder einmal jemand damit prahlt, dass er eine harte, aber sehr erfolgreiche Woche mit 60 Stunden „hakeln“ (arbeiten) hinter sich gebracht hat, dann musst du kein schlechtes Gewissen haben, weil du dich schon vor längerer Zeit gegen Karriere, sondern für das Leben entschieden hast. Mit einer 3-Tage-Woche, weil der Kredit auf die Wohnung / das Haus schon abbezahlt ist und du auch mit weniger Geld ein Auslangen findest.
Setze auf Lebensqualität, reduziere lieber deine Arbeitszeit und genieße dein Leben! Niemand braucht einen Tesla um 70.000 € aufwärts. Oder in der Innenstadt einen fetten SUV, der in der Parkgarage 1 ½ Parkplätze verbraucht.
(Kein) Ferrari am Totenbett
Lebensqualität definiert sich eben nicht durch Dinge, die man kaufen kann. Die Aussage, dass dich dein Ferrari (oder Tesla) am Totenbett nicht besuchen wird, ist zwar abgedroschen, aber trifft es auf den Punkt.
Am Ende deines Lebens werden es die sozialen Beziehungen sein, die dich stolz zurückblicken lassen werden. Und Aktivitäten, die dazu beigetragen haben, die Welt ein wenig besser zu machen, wie zum Beispiel der Einsatz für soziale Projekte oder den Umweltschutz.
Treffe dich also mit Freunden, verbringe mehr Zeit in der Natur, anstatt so viel als möglich zu schuften, nur um so manchen Firmenboss noch reicher zu machen. Um noch mehr oder noch teurere Dinge zu besitzen, die deine Lebensqualität nicht wirklich erhöhen.
Massenkonsum kann und darf nicht das Ziel eines Menschen sein! Denn es führt entgegen den Versprechen der Werbeindustrie eben gerade nicht zu mehr Lebensqualität!
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