Zuletzt aktualisiert am 26. März 2023 um 8:41
Kann man sein Leben der Nachhaltigkeit widmen und trotzdem all seine Freunde behalten? „Was soll diese blöde Frage?“ wirst du dir denken und den Kopf heftig dazu schütteln. Aber diese Aussage ist weniger weit hergeholt, als du im ersten Moment annehmen würdest.
Inhalt
Wer sind deine Freunde?
Menschen mit der gleichen Meinung
Bestimmt ist dir auch schon aufgefallen, dass du dich sehr viel lieber mit Menschen umgibst, die in vielen Bereichen die gleiche Meinung haben, als du selbst. Psychologisch völlig klar: es fühlt sich einfach gut an, wenn dein Gegenüber deine Meinung bestätigt und sie auch noch mit weiteren „Fakten“ ergänzt.
Freunde, die dir (zu) oft widersprechen, wirst du im Laufe der Zeit potenziell nicht mehr so gerne besuchen oder sie einladen. Einfach, weil sie dir zu anstrengend sind oder dir mit ihrer Besserwisserei auf den Geist gehen.
Du willst Nachhaltigkeit leben und deine Freunde sehen es als Grundrecht, jedes Jahr mindestens einmal zu fliegen oder eine Kreuzfahrt zu machen? Du bist Veganer aus Überzeugung und gehst auf Demos gegen Tierleid, während deine Freunde jeden Tag Billigfleisch vom Discounter holen? Schwierig!
Meinungen sind keine Fakten
Mit diesen sogenannten „Fakten“ muss man durchaus auch vorsichtig sein. Denn oft werden diese mit Meinungen verwechselt. Meinungen, die sich dein Gegenüber über verschiedene Artikel und Aussagen anderer Freunde gebildet hat und nun einfach als Fakten darstellt. Es gibt da auch einen schönen Spruch, von dem ich leider die Quelle nicht mehr weiß.
Jeder hat das Recht zu einer eigenen Meinung, aber nicht zu eigenen Fakten.
Unbekannt
Wie auch immer – es geht um deine Freunde. Und da ist es völlig unwichtig, ob die Bestätigung deiner Meinung ein Fakt ist oder eben auch nur eine Meinung. Hauptsache, sie stimmt mit deiner überein, denn dann fühlst du dich wohl. Gemeinsam wohlfühlen – das ist doch schön!
Die Rolle der sozialen Medien
Vorsicht vor (a)sozialen Medien! Diese wissen natürlich um den Fakt (!), dass sich Menschen in ihrer Meinung gerne bestätigt fühlen.
Und so analysieren sie dein Verhalten anhand deiner Likes und was du sonst so von dir preisgibst (Zugehörigkeit zu Gruppen etc.) und zeigen dir dann nur Inhalte, die dich möglichst glücklich machen. Sie wollen ja, dass du wiederkommst. Und das tust du nur, wenn die dir präsentierten Inhalte deiner Freunde möglichst deine eigene Meinung bestätigen.
Facebook bestimmt, wer deine besten Freunde sind! Und deine besten Freunde sind wie du bzw. teilen möglichst viele deiner Meinungen.
Mit dem Resultat, dass du die Meinungen deiner Freunde immer mehr als Fakten wahrnimmst. Denn so viele können sich doch nicht irren, oder? Wenn deine Freunde bei Facebook in den Urlaub zu Fliegen als ein Grundrecht sehen, welches man niemanden nehmen darf, wird das auch dein möglicherweise schlechtes Gewissen verringern.
Nachhaltigkeit leben und Freunde haben
Die Dosis macht das Gift
Wenn du bei jedem Treffen mit deinen Freunden über die Klimakrise redest und sie darauf hinweist, wie sie Nachhaltigkeit richtig leben könnten, dann ist das vermutlich nicht der richtige Weg.
Der Zeitpunkt sollte stimmen
Wenn dir deine Freunde voller Begeisterung Fotos vom letzten Urlaub zeigen, solltest du beim Anblick des ersten Fotos besser nicht eine Bemerkung wie „Naja, da seid ihr ja schon wieder geflogen! Habt ihr wenigstens euer CO2 kompensiert?“ ablassen.
Entwickle ein Gefühl dafür, wann du etwas ansprichst! Das sagt sich nun leichter als getan und hängt sehr stark auch von deinen Freunden ab. Jeder Mensch ist anders, jeder reagiert anders auf dich und deine Aussagen.
Es sollte dir klar sein: viele Menschen neigen dazu, Aussagen persönlich zu nehmen und diese als Vorwurf und Kritik an ihrer Person zu sehen. Völlig egal, ob du es sachlich meinst oder nicht. Was zählt ist, wie es beim Gegenüber ankommt.
Nachhaltigkeit (vor) leben
Du kannst deine Botschaft auch transportieren, ohne dass du anderen ein schlechtes Gewissen machst oder sie direkt angreifst.
So kannst du zum Beispiel von deinem letzten Urlaub erzählen, bei dem du von Salzburg nach Innsbruck gewandert bist und dazu anmerken, dass du zuerst ja vorgehabt hättest, in Mallorca zu wandern. Stattdessen hast du aus Gründen der Nachhaltigkeit dann die Wanderung direkt von deinem Haus weg bevorzugt und es am Ende extrem genossen.
Oder du erzählst, dass du nun immer öfter mit Öffis zu deinen Wanderungen fährst oder mit dem Fahrrad zur Arbeit fährst. Nachhaltigkeit vorzuleben ist meiner Überzeugung nach ein sehr wichtiger Faktor, um andere Menschen dafür zu sensibilisieren.
Geduld und Empathie
In Bezug auf Nachhaltigkeit wirst du auch sehr viel Geduld aufbringen müssen. Je nachdem, wo du eine Freunde „abholen“ musst („Es gibt keinen vom Menschen verursachten Klimawandel!“ oder „Solange die Chinesen viel mehr Dreck in die Luft blasen!“), wird der Weg möglicherweise ein sehr langer sein.
Setze keine zu hohen Erwartungen und freue dich schon drüber, wenn du es schaffst, Menschen zum Nachdenken zu bringen. Denn Veränderung ist für Menschen in der Regel immer mit Widerstand verbunden und bedarf eines langen Prozesses.
Und versuche dich auch in die Lage deines Freundes / deiner Freundin zu versetzen! So ist es zum Beispiel für jemanden, der in der Stadt lebt, sehr viel einfacher, auf Öffis umzusteigen, als für jemanden, der auf dem Land lebt, wo Busse nur selten oder am Wochenende gar nicht fahren. Ja, das gibt es wirklich – ich lebe in so einem Dorf!
Andere Wege akzeptieren
Es gibt sehr viele Bereiche, in denen man Nachhaltigkeit leben kann bzw. man sich verbessern kann, was den CO2 Fußabdruck anbelangt.
Während es einem leichter fällt, seine Urlaubsgewohnheiten zu verändern, fällt es dem anderen leichter, weniger bis gar kein Fleisch mehr zu essen und der Dritten, ihren Arbeitsweg statt mit dem Auto mit dem Fahrrad zurückzulegen.
Wichtig finde ich persönlich, sich auf den Weg zu machen. In kleinen Schritten und ohne Anspruch, gleich von Beginn an perfekt zu sein. Dazu ist dieses Thema viel zu komplex und umfangreich. Und wenn dann ein Schritt zur Selbstverständlichkeit geworden ist, sich einfach den nächsten vorzunehmen. Aber genau dieser Weg der kleinen Schritte sieht bei jedem völlig anders aus.
Akzeptiere das und nehme nicht dich selbst als Maßstab aller Dinge. Denn das bist du einfach nicht. Behandle dein Gegenüber immer wertschätzend!
Was sind echte Freunde?
Am Ende will ich noch betonen, dass echte Freunde dich mit all deinen Facetten akzeptieren und gerne auch schwierige Themen mit dir diskutieren.
Wenn du also aus der Meinung der Gruppe ausscherst und bei einer Grillfeier kein Fleisch essen willst, weil du deine Nachhaltigkeit leben willst und gerne mit diesen Menschen gemeinsam etwas unternehmen willst, dann wird das mit ihnen klappen. Sie werden Gemüse für dich grillen, ohne dass sie dich schief anschauen oder eine „lustige“ Bemerkung auf deine Kosten ablassen.
Als Veganer auf einer Grillfeier solltest du es aber deinerseits trotzdem unterlassen, durchgehend von Tierleid und der Abholzung des Regenwaldes zu sprechen, weil man diese Flächen für Tierfutter benötigt (→ Von Hardcore Veganern, Fleischfressern und Tierleid).
Am Ende sind wir alle emotionale Wesen und sollten danach trachten, möglichst gut miteinander auszukommen. Was jetzt nicht heißt, dass du schwierige Themen der Freundschaft zuliebe generell aussparen sollst. Aber das wann und wie solltest du unter Berücksichtigung des Wohlbefindens der anderen mit Bedacht auswählen.
[…] Nachhaltigkeit leben und Freunde haben? […]