Zuletzt aktualisiert am 5. Dezember 2022 um 7:57
Warum braucht es so etwas wie eine Wegefreiheit in Österreich?
82% der österreichischen Waldfläche sind im Besitz von ca. 145.000 Privatpersonen, aber nur 18% in öffentlicher Hand. Wer in Österreich im Wald unterwegs ist, bewegt sich damit also auf fremdem Grund, vorwiegend Privatgrund.
Es ist also nicht selbstverständlich, dass wir Österreicher und unsere Gäste sich im Wald frei bewegen dürfen, wenn uns nach frischer Luft zumute ist oder wir einen der zahlreichen Gipfel erreichen wollen. Gäbe es keine Regelung wie die Wegefreiheit, so würde das Betreten des Waldes einer Besitzstörung gleichkommen. Grund genug, sich einmal etwas näher damit auseinanderzusetzen.
Inhalt
Es ist kompliziert (oder auch nicht)
Leider ist es wie so oft im Leben: wenn man etwas näher hinsieht, wird es häufig sehr schnell recht kompliziert!
Wer auf Nummer sicher gehen will, der muss sich aber zusammengefasst keine Sorgen machen, wenn er wandern will: auf öffentlichen Wanderwegen – gut erkennbar durch die einheitlichen, gelben Wegweiser – darf man sich problemlos bewegen.
Aber schauen wir einmal etwas näher hin, denn man darf sich im Rahmen der Wegefreiheit durchaus auch außerhalb der markierten Wege aufhalten.
Es kann nie schaden, seine Rechte zu kennen! Warum? Lies zum Einstieg doch einfach diesen Artikel und du wirst staunen: Wenn die Jäger überschnappen: Es war einmal in der Obersteiermark.
Waldbereich vs. Alpines Ödland
Die Wegefreiheit wird in Österreich grob auf zwei Ebenen geregelt: für den Waldbereich ist der Bund zuständig, für Almen und das Alpine Ödland die Länder.
Für den Waldbereich gibt es demnach eine österreichweit einheitliche Regelung für die Wegefreiheit. Diese ist durch das österreichische Forstgesetz festgelegt. Für das Alpine Ödland sind wie erwähnt die Länder zuständig. Was dazu geführt hat, dass nahezu jedes Bundesland seine eigenen Regelungen oder Gesetze dafür hat.
Waldbereich
Ich will nicht das komplette Forstgesetz zitieren, nur die wichtigsten Ausschnitte daraus. Dabei regelt § 33 die erlaubten Benutzungsarten und § 34 die Einschränkungen, die dauernd oder befristet festgelegt werden können.
Forstgesetz von 1975, § 33
Arten der Benützung
(1) Jedermann darf […] Wald zu Erholungszwecken betreten und sich dort aufhalten.
(3) Eine über Abs. 1 hinausgehende Benutzung, wie Lagern bei Dunkelheit, Zelten, Befahren oder Reiten, ist nur mit Zustimmung des Waldeigentümers, hinsichtlich der Forststraßen mit Zustimmung jener Person, der die Erhaltung der Forststraße obliegt, zulässig. Das Abfahren mit Schiern im Wald ist im Bereich von Aufstiegshilfen nur auf markierten Pisten oder Schirouten gestattet. Schilanglaufen ohne Loipen ist unter Anwendung der nötigen Vorsicht gestattet; […].
Kommerzielle Veranstaltungen sind in diese Regelung nicht eingeschlossen. Ein Waldbesitzer kann also zum Beispiel verbieten, dass die Route einer öffentlichen Laufveranstaltung durch seinen Grund führt, auch wenn der Weg grundsätzlich zu Erholungszwecken laut Forstgesetz freizugeben ist. Die Veranstalter des Mozart 100 zum Beispiel müssen mit jedem einzelnen Grundbesitzer verhandeln.
Forstgesetz von 1975, § 34
Benützungsbeschränkungen
(1) Unbeschadet der Bestimmungen des § 33 Abs. 2 darf Wald von der Benutzung zu Erholungszwecken vom Waldeigentümer befristet (Abs. 2) oder dauernd (Abs. 3) ausgenommen werden (Sperre).
In §34 werden eine Reihe weiterer Ausnahmen zur Wegefreiheit aufgezählt. So zum Beispiel die Sperre von Waldflächen aufgrund von Schädlingsbekämpfung, Jungwald oder Sperren nach dem Jagdrecht wie z.B. zur Wildfütterung im Winter, siehe Drachenwand Wintersperre.
Zudem ist der Grundbesitzer berechtigt, eine im Gesetz festgelegte Fläche, die im Zusammenhang mit seinen Wohnhäusern steht, für das Betreten auf Dauer zu sperren.
Naturschutzgebiete genießen ebenfalls einen besonderen Schutz. So kann es eine Einschränkung geben, dass man sich nur auf markierten Wegen bewegen darf und so kein freies Klettern mehr möglich ist. Einen interessanten Artikel dazu findest du auf der Seite des ORF Salzburg: Nationalpark – Angst um Wegefreiheit.
Almen und Alpines Ödland
Für die Bereiche oberhalb der Waldgrenze sind, wie weiter oben erwähnt, die Länder zuständig. Diese Gesetze und Regelungen stammen aus der Zeit um 1920. Dabei wird ein freies Betreten der Gebiete auch abseits der markierten Wege im Rahmen des „Gewohnheitsrechts“ oder besondere Gesetze (Kärnten, Oberösterreich, Salzburg und Steiermark) erlaubt. Das gilt für Österreicher gleichermaßen wie für den Touristenverkehr.
Durch die länderspezifischen Regelungen ist die Lage oberhalb der Waldgrenze etwas komplizierter. Vorsichtig ausgedrückt wage ich aber zu sagen, dass man oberhalb der Waldgrenze eher mehr Rechte hat, als im Waldgebiet.
Auch das Zelten kann oberhalb der Waldgrenze ohne Genehmigung erlaubt sein, aber auch hier gilt: vorher informieren! Eine gute Quelle zum Start ist HELP.gv.at – Campen.
Im Weidegebiet muss der Wanderer auf die drohenden Gefahren selber achten, also zum Beispiel Weidevieh nicht zu stören und großräumig zu umgehen. Gegenüber dem Grundeigentümer kann in jedem Fall keine Haftung geltend gemacht werden. Dass es in Sonderfällen eventuell auch anders kommen kann, hat allerdings ein Urteil im Februar 2019 gezeigt: Tiroler Bauern über Schuldspruch im Kuhattacken-Urteil empört. Quelle: DerStandard.at
Ein sehr ausführliches Dokument zum Wegerecht findest du auf den Seiten der Universität für Bodenkultur Wien. Helmuth Gatterbauer – Uneingeschränkte Erholung in der Natur – ein Rechtsanspruch?
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