Zuletzt aktualisiert am 25. April 2024 um 17:30
Zum Thema Overtourism habe ich beim Castlecamp 2018 auf der Burg Kaprun eine Session gehalten. Dieser Artikel ist eine Zusammenfassung dieser äußerst interessanten Diskussion. Solltest du an einer generellen Zusammenfassung zum Castlecamp interessiert sein, eine solche findest du hier: Castlecamp 2018 – der Rückblick.
Overtourism war meine 2. Session, die ich beim Castlecamp gehalten habe, nachdem ich mich im letzten Jahr dem Thema Social Media Overkill gewidmet habe. Scheinbar neige ich zu eher kritischen Themen.
Diesmal bin ich nicht ganz blank in die Session gegangen, wie es 2017 noch der Fall war, sondern habe mir am Vorabend ein paar Fragen zum Thema Overtourism überlegt. Fragen, die mich auch selber immer wieder beschäftigt haben und auf die ich schon beim Schreiben des Artikels Overtourism – zu viel des Guten im Vorfeld gestoßen bin.
Inhalt
Einstieg in die Diskussion
Der kleine Session Raum der Burg Kaprun war sehr gut gefüllt (um die 30 Teilnehmer), das Thema Overtourism beschäftigt aktuell eben sehr viele. Egal, ob aus der Sicht eines Touristen oder eines im Tourismus Beschäftigen (Tourismusverband, Hotel, …).
Waren es im Jahr 2018 geschätzte 1,3 Milliarden Touristen weltweit, so rechnet man für das Jahr 2030 schon mit 1,8 Milliarden. Manche Orte platzen schon jetzt aus allen Nähten. Und so taucht der Begriff auch immer öfter in den Medien auf.
Quasi zum Aufwärmen und als Einstieg in das Thema, habe ich die Frage an die Runde gestellt, wer schon persönlich mit Overtourism zu tun gehabt hat. Eine fast schon überflüssige Frage, aber so ist die Diskussion von Beginn sehr gut ins Laufen gekommen. Hierzu hätte wohl jeder im Raum eine kleine Story erzählen können.
Auswirkungen von Overtourism
Im Alltag
Wenn man als Einheimischer in einem Touristenort lebt, hat man unter den Auswirkungen besonders zu leiden. Da nach wie vor viele Touristen Individualreisende mit dem eigenen Auto sind, führt das zu zahlreichen Staus. Wenn man zum Einkaufen im Stau steht und sich später auch im Geschäft wieder in einer langen Schlange zur Kassa einreihen muss, dann kostet das viel Zeit und Nerven. „Schnell einmal“ etwas zum Abendessen holen funktioniert zumindest in der Hauptsaison für viele einfach nicht mehr.
Auch Busse sind ein großes Problem, wenn diese in Massen in einem Ort ankommen. Sie blockieren teilweise beim Ein- und Ausstieg die Straßen oder behindern zumindest ein flüssiges durchfahren des übrigen Verkehrs. Der Verkehr wird damit weiter an den Rand der Orte gedrängt, weil Schleichwege genutzt werden, um die Staus zu umfahren. So leiden immer mehr Einwohner unter dem Tourismus, die bis vor einiger Zeit noch in einer sehr ruhigen Gegend wohnen durften.
In der Freizeit
In der Freizeit wirken sich die Touristenmassen ebenfalls aus. Sehr viele Regionen bieten sogenannte Sommer-Cards oder ähnliches an. Für den Urlauber in der Regel eine sehr gute Möglichkeit, um zum Beispiel Bergbahnen sehr stark vergünstigt oder kostenlos nutzen zu können, wie zum Beispiel die Dachsteinbahn.
Will ein Einheimischer alle Attraktionen nutzen (Bahn, Eispalast, Treppe ins Nichts), so muss er dafür den Normalpreis von über 46,5€ (Stand Saison 2018) bezahlen. Und findet sich an der Bergstation dann unter Menschenmassen wieder. Bewaffnet mit tieffliegenden Selfie-Sticks.
Ich gebe es zu – ich war selber schon Tourist in dieser Region und habe auch zwei der Bahnen kostenlos genutzt (Dachsteinbahn, Planai). Genaugenommen will man mit diesen Karten ja auch genau das erreichen – nämlich dass die Bahnen möglichst gut ausgelastet werden.
Und das werden sie auch. Auf der Webseite der Dachsteinbahn wird empfohlen, in den Sommermonaten von Mai bis September eine Gondel online zu reservieren. Andernfalls muss man mit Wartezeiten von bis zu 2 Stunden rechnen.
In der Diskussion wurde erwähnt, dass solche Sommer-Cards dazu führen, dass kostenlose Ziele einfach „abgearbeitet“ werden. Abarbeiten einer Bucket-List anstatt zu genießen, lautet ein Vorwurf in der Runde.
Hunde – Overdogism
„Overdogism“ wurde auch noch als Wort in die Runde geworfen. Scheinbar gibt es immer mehr Hotels, die auch Hunde akzeptieren. Das ist grundsätzlich natürlich nicht schlecht. Aber auch hier ist es die Menge, die Probleme macht.
Immer mehr Urlauber nehmen mittlerweile ihren Hund mit. Was dazu führt, dass Bauern schon Loipen sperren, weil der Hundekot für die Wiese aber auch freilaufende Hunde für andere Langläufer immer mehr zum Problem werden. „Lustigerweise“ konnte ich gerade die Nacht zuvor kaum schlafen, weil im Nachbarzimmer meiner Unterkunft 3 kleine Hunde immer wieder einmal gebellt haben.
Preistreiber für Wohnungen
Weiteres Dilemma: die Wohnungspreise werden durch Ferienwohnungen immer höher. So werden in Kitzbühel die Einheimischen immer weiter an den Ortsrand gedrängt.
Auch AirBNB trägt seinen Teil dazu bei, dass Wohnungen eher an Touristen als an Einheimische dauerhaft vermietet werden, da das um den Faktor 2-3 mehr Einnahmen lukriert. Das ist insbesondere auch in Städten wie Barcelona ein Problem.
Was ist ein braver Tourist?
Auf diesen kleinen „Nebenschauplatz“ sind wir in der Diskussion deshalb gekommen, weil ein „braver Tourist“ sehr viel weniger problematisch ist, als ein gedankenlos vor sich hin konsumierender. Die Liste ist sicher nicht erschöpfend, ich habe einfach nur alle „Wünsche“ an Touristen gesammelt, die während der Diskussion aufgekommen sind.
- er verhält sich ruhig und schreit nicht herum (Stichwort Nachtruhe)
- betritt keinen Privatgrund für das bessere Foto
- er lässt seinen Hund Zuhause
- er nimmt seinen Müll bei Wanderungen wieder mit (siehe Saubere Berge)
- denkt darüber nach, was sein handeln bewirkt
- hat Respekt vor der Natur und den Menschen
- ist kein Egoist und verhält sich als Gast
- nutzt öffentliche Verkehrsmittel
- beschäftigt sich mit dem Land und den Leuten
- ist kein Sandräuber (keinen Sand vom Strand mitnehmen, auch Korallen und Mineralien)
Wie mit dem Problem Overtourism umgehen?
Im 2. Teil der Session haben wir darüber diskutiert, wie man mit dem Problem Overtourism umgehen kann. Das behandle ich dann in einem weiteren Artikel!
Fazit Overtourism Session beim Castlecamp
Leider war die Zeit mit einer Stunde viel zu kurz. Die Diskussion empfand ich als wirklich sehr spannend und ich hätte gerne noch sehr viel mehr zu diesem Thema besprochen. Ich denke, dass das Thema Overtourism ein ganzes Barcamp füllen könnte.
An alle Teilnehmer: herzlichen Dank für die rege Teilnahme! Sollte ich etwas wichtiges übersehen oder gar etwas unrichtig wiedergegeben haben, bitte gerne melden! Ich ergänze oder korrigiere das natürlich sehr gern!
Ja, ein sehr schwieriges, brisantes Thema.
Deine Kommentare zu „Was ist ein guter Tourist“ finde ich gut. Man sollte viel mehr Bewusstsein schaffen bei den Leuten, dass eben nicht alles okay ist was sie so machen. Leider ist das gar nicht so einfach. Die, die viel reisen sind da meist besser gestrickt und „braver“, die die 1x im Jahr in den Urlaub fahren (zumindest ist das meine Erfahrung) nehmen auf vieles weniger Rücksicht und verstehen auch nicht, warum sie keinen Sand mitnehmen sollen etc.
lg Sabrina
Servus Sabrina!
Danke für dein Feedback!
Ja, ich denke auch, dass sehr vielen geholfen wäre, wenn sich alle Touristen gut benehmen würden bzw. Rücksicht auf die einheimische Bevölkerung nehmen würden. Leider ist das nicht bei allen der Fall.
Bewusstsein schaffen ist sicher eine gute Möglichkeit! Da können wir Blogger bestimmt auch einiges dazu beitragen!
Have fun
Horst
Interessanter Beitrag und sehr gut geschrieben. Ich denke, man kann kontrollieren, was für Touristen man anlockt. Das hat auch zu tun mit den Attraktionen, die man hat und was stattfinden würde in der Location. Einfachstes Beispiel ist, wenn man eine Party Meile hat. Da wird man weniger Familienurlauber haben. Man sollte auch in betracht ziehen das viele sich nicht verändern wollen. Wir sprechen darüber, dass immer mehr Einwohner am Rande gedrängt werden. Anderseits ist es auch eine Chance, für viele Einwohner den Entrepreneur rauszulassen und diese Chance zu nutzen und das beste daraus zu machen. Ich denke, das hat damit zu tun, wie man das Glas betrachten würde. Halb leer oder halb voll. LG Monika
Servus Monika!
Zuerst vielen Dank für das Lob zum Artikel!
Ich bin bei dir, wenn du sagst, dass man schon kontrollieren kann, welche Touristen man anlockt. Norwegen wird nie Probleme mit Touristen haben, die gerne tiefer ins Glas schauen – dazu ist der Alkohol durch das staatliche Alkohol-Monopol einfach zu teuer.
Trotzdem kämpft auch Norwegen an bestimmten, mittlerweile sehr bekannten Orten wie Geiranger, mit dem Problem des Overtourism.
Welche Touristen man ansprechen will, lässt sich in bestimmtem Maß lenken, aber wie viele es am Ende werden, nur schwer.
Ob eine Familie mit Kindern in Amsterdam die „Chance zum Entrepreneur“ wirklich nutzen kann? Ja, die Bevölkerung kann sich an den Tourismus anpassen – was ja auch in weiten Teilen passiert.
Aber auch bei manchem Touristen sollte ein Umdenken stattfinden, denn Aussagen wie: „Wenn es dir zu laut ist, warum ziehst du dann nicht weg?“ sind unangebracht.
Danke für dein ausführliches Feedback
Horst
Sollte nicht reguliert werden von den Behörden, was erlaubt ist und was nicht? So könnte man es sehr gut steuern, um solche Situationen auszuweichen. Es sollten ja alle was davon haben. Z. B. in Wien, wenn man zu laut ist nach einer gewissen Zeit und Beschwerden bekommt, ist schon die Polizei hier, damit es nicht so weiter geht. Es wird halt problematisch, wenn die Massen der Menschen zu viel sind. Da müsste man es mit dem Visum ein bisschen einschränken können, oder auch mit lokalen Begrenzungen, was eher schwer ist. Was ich damit mein, ist eine Begrenzung an Menschen, die z. B. Salzburg am Tag besuchen dürfen. Wie könnte so etwas enden.
Servus Patrick!
Danke für deine Rückmeldung!
Naja, Nachtruhe ist normalerweise schon geregelt. Nur ist es leider oft so, dass bei einer genügend hohen Anzahl von Menschen oft immer welche dabei sind, die sich nicht an Regeln halten und so die Einwohner stören.
Und wenn untertags jemand wegen eines guten Fotos in deinen Garten oder deine Hauseinfahrt marschiert, wirst du auch wenig tun können.
Während man bei Gebäuden oder manchen Parkanlagen die Anzahl der Menschen relativ einfach beschränken könnte, wird das in einer Stadt schon sehr viel schwieriger – und auf einem Wanderweg schon so gut wie unmöglich.
Wo das noch hinführt, ist eine gute Frage. Wer diese beantworten kann, wird wohl gefeiert – vor allem, wenn derjenige auch noch Lösungsmöglichkeiten aufzeigt.
Have fun
Horst
Haha wie ich deine Antwort gelesen habe, musste ich lachen! Sag bloß das du aus Erfahrung sprichst und selber in den Garten anderer Leute einmarschierst, um ein gutes Foto zu machen!
Solltest du zufällig die Sendung „Am Schauplatz“ gesehen haben (Titel: Die Chinesen kommen) – dort haben sie Einwohner interviewt, die genau darüber geklagt haben. Nämlich dass Leute sogar in Wohnungen gehen, um dort vom Fenster hinaus noch bessere Fotos machen zu können. Oder eben sich in fremden Gärten bewegen.
Ich habe die Geschichte also weder erfunden, noch latsche ich selber in fremde Gärten.
Have fun
Horst
Lieber Horst, danke für diesen Artikel, ich beschäftige mich seit längeren genau mit diesem Thema. Und zwar aus Sicht einer Stadtbewohnerin die zunehmend mit dem Problem Overtourism konfrontiert ist. Ich möchte dazu auch selber demnächst einen Beitrag schreiben. Mich bewegen vor allem der Wohnraumverlust durch oft illegale, touristische Vermietungen und die Schwemme an Touristen, die außer Müll nichts in der Stadt lassen. Das sind vor allem jene, die mit Bussen in kurzer Zeit durchs Land getrieben werden. Die Kosten für das Terminal sind viel zu niedrig! Bis bald Claudia
Servus Claudia!
Vielen Dank für dein Feedback!
Ja, als Stadtbewohnerin hast du es bei uns in der Hauptsaison auf jeden Fall auch nicht leicht. Wenn die Touristen ein wenig mehr Rücksicht nehmen würden (siehe im Beitrag: was ist ein braver Tourist?), wäre vieles schon sehr viel besser.
Have fun
Horst