Zuletzt aktualisiert am 28. Februar 2024 um 7:42

Die Errichtung der 380 kV Leitung in Salzburg wurde jahrelang diskutiert. Dieser Artikel zeigt dir den Ablauf zur Errichtung der umstrittenen Salzburgleitung. Grundlegende Infos zu diesem Thema findest du im Begleitartikel 380kV Leitung im Flachgau.

In diesem Beitrag geht es um die Entwicklung zur Genehmigung der Freileitung, über das UVP (Umwelt-Verträglichkeits-Prüfung) Verfahren bis zur Errichtung in den Jahren 2020/21.

Die Jahre 2011-2016

Umstrittene Trassenführung der Salzburgleitung

Es ist ein ständiges Hin- und Her mit immer neuen Argumenten und Gutachten der Gegner. Bereits seit 2011 gibt es immer wieder Demos in betroffenen Gemeinden bzw. der Stadt Salzburg gegen die Errichtung der 380 kV Salzburgleitung.

Im März 2012 hat der damalige Bürgermeister der Stadt Salzburg, Heinz Schaden, gefeiert, dass es keine Trassenführung über den Gaisberg und Nockstein geben wird. Er meinte damit die Trassenführung, welche die Nocksteinschlucht betroffen hätte. Stattdessen soll nun die Variante „Nockstein-Mitte“ kommen.

Variante Nocksteinschlucht zum Glück vom Tisch
Variante Nocksteinschlucht zum Glück vom Tisch

2015 – Variante Nockstein-Mitte

Im Juli 2015 rückte dann der Vogel und Artenschutz in den Mittelpunkt des Geschehens. Laut dem Innsbrucker Biologen Armin Landmann wäre das Gebiet um den Nockstein und Gaisberg besonders wertvoll, wenn es um den Erhalt 28 seltener Vogelarten gehen soll. Darunter auch der Wanderfalke, der am Nockstein sein Brutgebiet vorfindet.

Im Dezember 2015 kommt es zu einem positiven Ausgang des Behördenverfahrens – der 380kV Leitung sollte nun also nichts mehr im Wege stehen. Die offizielle Stellungnahme der Landeshauptmann Stellvertreterin Astrid Rössler ist auf den Seiten der Grünen Salzburg leider nicht mehr auffindbar.

2016 – Teil-Verkabelung als Alternative

Im Juni 2016 präsentierte Ernst Gockenbach, Professor an der Leibniz Universität Hannover, ein Gutachten über die Möglichkeit einer Teilverkabelung. Das Gutachten hat er im Auftrag der Gemeinden Eugendorf und Koppl erstellt. Ziel: aufzuzeigen, dass eine Alternative zur Freileitung möglich und in einem sensiblen Gebiet sinnvoll wäre.

In Zusammenhang mit der Diskussion um eine Teilverkabelung im Bereich um den Nockstein soll laut dem Bericht einer Lokalzeitung auch eine Änderung des Naturschutzgesetzes geplant sein, welche Auswirkungen auf eine mögliche Teilverkabelung haben könnte. Die Bürgermeister der Gemeinden Koppl und Eugendorf wollen „bis zum bitteren Ende gegen die Zerstörung des Gebietes“ vorgehen.

Im Februar 2017 betont der Eugendorfer Bürgermeister Hans Strasser, dass er in Zusammenhang mit der 380 kV Leitung „stur wie ein Steinbock“ sein wolle.

Das Jahr 2017

Schneise der Verwüstung

In einem Artikel vom 8. August spricht die Kronenzeitung von einer „Schneise der Verwüstung“, die durch die Freileitung entstehen würde.

Neben Fotos zu dieser potentiellen „Verwüstung“ durch die Freileitung (Anmerkung: ich halte wenig von solch emotionalen Aussagen, beim Wort Verwüstung denke ich eher an Umweltkatastrophen und Krieg) wird im Artikel auch näher auf die Trassenführung der geplanten Freileitung eingegangen. Diese Trassenführung wurde im Rahmen der Berufungsverhandlung Ende Juli 2017 von der IG-Erdkabel (auf der Seite der Freileitungsgegner) anhand von Bildern näher beschrieben.

Insgesamt 400 Masten soll die Freileitung auf den 113 km am Ende beinhalten, die Masten sollen teilweise bis zu 84 m hoch werden. Laut einem weiteren Artikel der Kronenzeitung kann der Rechtsstreit noch Jahre dauern.

Nockstoana markieren Teil der betroffenen Bäume

Im September bin ich wie so oft am Nockstein unterwegs und habe an einigen Bäumen am Grat zwischen Riedlwirt und Nockstein Markierungen gefunden. Dafür zeichnen sich die „Nockstoana“ verantwortlich, eine Allianz mehrerer Initiativen gegen die 380 kV Leitung.

Diese Markierungen machen sehr deutlich, wie breit der betroffene Abschnitt des herrlichen Weges über den Grat am Ende sein wird.

Nockstein - 380 kV Salzburg Leitung, markierte Bäume
Nockstein – 380 kV Leitung, markierte Bäume

Es tut wirklich weh, das Ausmaß der geplanten Schneise so vor Augen geführt zu bekommen. Ein herrlicher Wegabschnitt wird hier nachhaltig zerstört.

Laut Kronenzeitung vom 11. September wird ein Akt zur geplanten 380 kV Leitung unter Verschluss gehalten, der ein negatives Tourismusgutachten beinhalten soll. Aus Datenschutzgründen, wie es heißt. Hierzu gibt es ein erneutes Ansuchen um Einsicht, nachdem die vom Datenschutz betroffene Person ihr Einverständnis zur Einsicht gegeben haben soll.

Nach den Wanderfalken Amphibien als neue Hoffnung?

Eine neue Entwicklung bahnt sich an! Laut einem Artikel in einer österreichischen Tageszeitung könnten die Bergunke und der Kammmolch der geplanten Freileitung insbesondere im Gebiet um den Nockstein große Probleme bereiten.

Der Naturschutz war im Rahmen der Genehmigung der Freileitung ja schon immer wieder einmal ein zentrales Thema. Waren es bisher vor allem die Wanderfalken, die im Gebiet des Nocksteins ihr Brutgebiet haben, so drängen sich nun Amphibien in den Vordergrund. Im UVP Verfahren nächste Woche wird das auf den Verhandlungstisch gebracht.

Mehr oder weniger mit Rückendeckung von der EU. Hier steht Österreich laut Artikel im Kurier nämlich unter Kritik: wir weisen zu wenige Gebiete als Schutzraum für vom Aussterben bedrohte Tierarten aus! Diese Gebiete werden Natura-2000-Gebiete genannt.

Nockstein Grat - genau da drüber wird 380 kV Salzburg Leitung führen
Genau über diesen Rücken ist die 380kV Freileitung geplant

Detailliertere Infos zu Natura 2000 Gebieten im Salzburger Land findest du auf den Seiten des Landes Salzburg: Land Salzburg – NATURA 2000. Unter anderem steht dort zum Beispiel:

„Die Mitgliedstaaten der EU sind verpflichtet, zur Sicherstellung einer ausreichenden Vielfalt an Vogelarten besondere Schutzmaßnahmen hinsichtlich ihrer Lebensräume vorzusehen (insbesondere für Anhang-I-Arten). Im speziellen ist durch Ausweisung geeigneter Schutzgebiete (SPA=Special Protected Area) eine ausreichende Flächengröße der Lebensräume zu erhalten oder wiederherzustellen.“

Nockstein als Natura-2000 Gebiet

Laut einem Artikel auf den ORF Salzburg News Seiten, will SPÖ Landesparteichef Walter Steidl dafür kämpfen, damit das Gebiet um den Nockstein zum Natura-2000 Gebiet ausgewiesen wird. Schon im November hat Landesumweltanwalt Wolfgang Wiener die aktuelle Landesregierung (Schwarz / Grün) aufgefordert, den Nockstein entsprechend auszuweisen. Nun hat er einen entsprechenden Antrag in der Landtagssitzung vom 20. Dezember gestellt.

Du kannst dir die Landtagssitzung im Archiv anhören (Punkt 5 anklicken, dann kommst du direkt hin). Zeit mitbringen, dauert 1h 20m: Salzburger Landtag live

Und laut Kronenzeitung vom 21. Dezember würde Frau Rössler gar von einem „Missbrauch des Naturschutzes“ sprechen, wenn man auf diesem Weg die Freileitung verhindern will. Astrid Rössler (Grüne, Landeshauptmann Stellvertreterin) wär der Meinung, ein Erdkabel würde den Tieren mehr schaden, als eine Freileitung.

Nachdem die Grünen in der Presse aktuell gar nicht gut wegkommen, gibt es nun auch eine offizielle Stellungnahme auf der Webseite der Grünen: Klartext: Nockstein als Natura-2000 Gebiet. Sollte man auf jeden Fall gelesen haben, wenn man sich eine möglichst breite Meinung bilden will. Grob zusammengefasst: Eigeninteressen von Einzelpersonen stünden im Rahmen der Freileitung im Vordergrund, ein Erdkabel würde Amphibien mehr schaden.

Das Jahr 2018

Astrid Rössler (Grüne) macht Schwenk

Nach viel Druck macht Astrid Rössler einen Schwenk und will nun doch Teile des Gebietes um den Nockstein als Naturschutzgebiet ausweisen lassen. Ein erster Vorschlag wurde laut „Bezirksblätter“ bereits ausgearbeitet. Ob und wie weit das den Bau der 380 kV Leitung beeinflussen könnte ist allerdings noch unklar. Man will nun mit den betroffenen Grundstückseigentümern reden.

Die Industriellenvereinigung mahnte, dass der Versuch, ein für Europa so wichtiges Projekt zu verhindern am Ende nicht als Erfolg bezeichnet werden könnte. Zudem spricht man von einem potentiellen Wertverlust der Grundstücke.

Schrägerweise denkt man nicht daran, dass der Bau der 380 kV Leitung in jedem Fall zu einem Wertverlust führen würde.

Tauziehen um Schutzgebiet

In Bezug auf das etwaige Schutzgebiet geht es wieder einmal hin- und her. Eine Behauptung jagt die andere, nur um kurz darauf wieder widerlegt zu werden.

Herrlich verschneite Winterlandschaft am Nockstein
Herrlich verschneite Winterlandschaft am Nockstein

So wurde festgestellt, dass man ein Schutzgebiet im Bereich des Nocksteins aus verfassungsrechtlichen Gründen nun doch nicht ausweisen könne. Begründung: die Bundesinteressen stünden über den Landesinteressen, also das Starkstrom-Wegegesetz würde über dem Naturschutz-Interesse des Landes stehen. Und somit könne das Land ein Schutzgebiet gar nicht ausweisen. Genau das wurde nun aber widerlegt.

Nun soll Forstschutzgesetz helfen

Die Gegner der Freileitung kritisieren, dass das Land dem Bundesverfassungsgerichtshof mangelhafte Unterlagen zur Verfügung gestellt haben soll. Und das sei der Grund, warum es noch immer keine Entscheidung gebe.

Neue Hoffnungen legt man in ein neues Forstschutzgesetz, welches der europäische Gerichtshof am 7. August beschließen will. Sollte es sich beim Fällen der Bäume für die Trasse der Freileitung um Rodung handeln, so müsste man das Verfahren neu aufrollen.

Urteil europäischer Gerichtshof

Im August 2018 liegt ein Urteil des europäischen Gerichtshofes vor. Im genannten Prozess ging es aber nicht um die 380kV Leitung über unter anderem den Nockstein, sondern um eine 110kV Leitung in Oberösterreich. Zur Debatte stand, ob Flächen unter der Stromleitung selbst als Rodungsfläche angesehen werden müssen – was der EuGH bestätigt hat.

Die Gegner der 380kV Leitung haben in diesem Urteil Hoffnung geschöpft: Europäisches Urteil lässt Freileitungsgegner hoffen.

Die Industriellenvereinigung steuert durch einen eigenen Artikel hier umgehend dagegen. Es gehe um die Sicherung der Energieversorgung und man würde hier im Interesse aller zukunftsorientiert denken. Logischerweise sieht auch die Austrian Power Grid AG (APG) keinerlei Konsequenzen aus diesem Urteil. Das Urteil sei irrelevant für die Salzburg-Ringleitung.

Das Jahr 2019

Druck um Entscheidung UVP

Das bereits seit 2012 laufende Verfahren zur Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) ist nach wie vor nicht entschieden. Der letzte Einspruch der Freileitungsgegner liegt nach mittlerweile bald 3 Jahren nach wie vor beim Bundesverwaltungsgericht. Die Austrian Power Grid will nun Druck machen, um eine Entscheidung innerhalb einer bestimmten Frist herbeizuführen.

Freileitung vom BVwG genehmigt

Laut einem Artikel in salzburg.ORF.at im März zeigen sich „die Politik und die Austrian Power Grid AG (APG) erfreut“: die geplante Freileitung wurde vom Bundesverwaltungsgericht (BVwG) nun genehmigt. Die Freileitung wurde aus Sicht der Umwelt unter Einbeziehung von Sachverständigen intensiv geprüft und als unproblematisch eingestuft.

Dem Bau steht nun nichts mehr im Weg, die APG will bereits im Herbst 2019 mit den Bauarbeiten beginnen.

Berufung der Freileitungsgegner

Die Freileitungsgegner wollen in Berufung gehen. Medienberichten zufolge soll es einen potentiellen Interessen-Konflikt des Richters geben – er ist im Aufsichtsrat der Wiener Stadtwerke, die indirekt auch am Verbund beteiligt sein sollen.

Verfassungsrichter wegen Befangenheit raus

Der mit dem Fall befasste Verfassungsrichter musste den Fall wegen Befangenheit nun abgegeben. Ob die APG im Herbst mit dem Bau der Freileitung beginnen kann, ist nun wieder fraglich. Vorerst wollen sie an dem Plan auf jeden Fall festhalten. Quelle: Befangenheit – VfGH tauscht Richter für 380kV Leitung | kurier.at

Vertragsverletzungsverfahren

Die EU Kommission leitet nach den Beschwerden der Gemeinden Koppl und Eugendorf ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Österreich ein. Strategische Umweltprüfungen seien nicht korrekt durchgeführt worden sein. Für die APG aber kein Grund, den geplanten Baustart für Herbst aufzuschieben.

APG beginnt Wald abzuholzen

Mittlerweile hat die APG auch in unserer Gegend (Koppl, Heuberg) damit begonnen, den Wald für die Masten abzuholzen.

Das Jahr 2020

Meine Updates hier werden weniger. Ich bin doch etwas frustriert. Aus vielerlei Gründen.

In Wien gab es eine Demo der Freileitungsgegner, aber ich habe mich dort nicht 100% wohl gefühlt. Neben ernstzunehmenden Gegnern der Freileitung finden sich dort auch Leute wieder, die von strahlungsfreien Wohnvierteln schwärmen und die Demo auch gegen ein 5G-Netz vereinnahmen.

Freileitungsgegner haben sich vor allem im Bereich Vigaun an Bäume gekettet, um die Bagger der APG zu stoppen und müssen nun nach einer Anklage durch die APG mit saftigen Strafen rechnen.

Rodungsarbeiten für die umstrittene 380 kV Leitung beginnen
Am Grat des Nocksteins geht es los

Und Ende 2021 beginnen die Schlägerungsarbeiten am Nockstein. An jenem genialen Grat, der weiter oben in diesem Artikel noch all seine Bäume besitzt.

Meine Resüme

Die Wirtschaft scheint wieder einmal gewonnen zu haben, der Mensch und die Natur spielen bestenfalls eine Nebenrolle. Die Gegner geben zwar nach wir vor nicht auf und kämpfen weiter für die bestmögliche Erhaltung der Landschaft, aber der Zug scheint nun endgültig abgefahren zu sein.

Allen Bedenken der Bürger zum Trotz und potentiell negativer Auswirkungen auf den Tourismus, will man dieses Projekt in seiner geplanten Form als Freileitung durchziehen. Eine die Optik weitaus weniger beeinträchtigende Erdverkabelung bleibt unberücksichtigt, weil sie einfach teurer und so für den Betreiber logischerweise die schlechtere Option darstellen würde.

380 kV - Salzburg Freileitung - Foto-Montage Nockstein
380 KV – Montage Nockstein

Der Nockstein wird also sehr bald wie oben aussehen.

Nur, um mich nicht falsch zu verstehen: ich bin kein Naivling, der denkt, der Strom kommt direkt aus der Luft in meine Steckdose. Und mir ist auch klar, dass eine gute Infrastruktur auch in Bezug auf Nachhaltigkeit wichtig ist.

Aber man sollte dabei so gut es geht auf die Natur Rücksicht nehmen und die Eingriffe so wenig sichtbar wie möglich gestalten. Und genau das hat man meiner Meinung nach im Gebiet des Nocksteins ganz klar verabsäumt.