Zuletzt aktualisiert am 12. Februar 2021 um 9:56
Wie findest du die Milchstraße bzw. deren attraktives Zentrum? Neben der Lokalisierung der Milchstraße zeige ich dir auch, warum es nervt, dass sich die Erde dreht. Stichwort: richtige Belichtungsdauer.
Inhalt
Lokalisierung der Milchstraße
Wer die Milchstraße fotografieren will, muss wissen, wie man diese findet. Am Himmel – no na! Aber wer diese gekonnt und gezielt in Szene setzen will, für den reicht ein spontaner Blick zum Nachthimmel nicht aus. In dem Fall muss man schon sehr viel genauer wissen, wo und wann die Milchstraße am Himmel zu sehen ist. Ist sie überhaupt immer zu sehen? Welche Teile davon sieht man wann? Spoiler: Teile der Milchstraße sind ganzjährig zu sehen.
Sie bewegt sich (Mist!)
Wir wissen ja, dass sich alle Sterne (mit Ausnahme des Polarsterns in der Nordhalbkugel) in Relation zur Erde bewegen, damit selbstredend auch die Milchstraße. Und das gar nicht einmal so langsam.
Der Urknall hat alles in Bewegung gesetzt und ist für die rasend schnelle Bewegung verantwortlich, mit der sich alle Himmelskörper fortbewegen. Diese Bewegung ist aber für uns kaum sichtbar und für unser Vorhaben, die Milchstraße zu fotografieren, völlig irrelevant. Das nur der Vollständigkeit halber – wir und alle Sterne um uns rasen seit dem Urknall mit gnadenloser Geschwindigkeit durchs All.
Aber die Drehung der Erde lässt die Sterne für uns sichtbar bewegen und ist dafür verantwortlich, dass wir uns im Rahmen der Astrofotografie etwas näher damit beschäftigen müssen. Wie diese Bewegung die Belichtung beeinflusst – dazu etwas weiter unten dann noch mehr. Der Polarstern steht im Übrigen natürlich nicht wirklich still, sondern tut diese nur in Relation zur Erde.
Lokalisierung – Stellarium hilft
Eine sehr gute Software zur Unterstützung bei der Lokalisierung von Himmelsobjekten ist Stellarium. Stellarium gibt es für Linux, Mac und Windows und ist damit für so gut wie alle nutzbar. Und es ist kostenlos. Es gibt auch einen ausführlichen User Guide im PDF Format (ca. 300 Seiten). Man kommt aber auch mit etwas Herumspielen immer mehr dahinter, wie die Software funktioniert. Aufgrund der Funktionsvielfalt sollte man aber zu Beginn etwas Geduld aufbringen.
Stellarium gibt es auch für Android. Du findest es unter Stellarium Mobile Himmelskarte. Die App gibt es als kostenlose Version und als Pro Version (8,99 € Stand Juni 2020). Ich persönlich bevorzuge die Vorbereitung in aller Ruhe am PC.
Tipps zur Bedienung der PC Version:
- Stellarium startet im Vollbildmodus, umschaltbar mit F11
- die Bedienungselemente tauchen erst auf, wenn man die Maus in die linke, untere Ecke des Bildschirmes bewegt
Tipp: man kann die Bedienungselemente dann auch „anpinnen“ – siehe Bild weiter unten - eigenen Standort (bzw. den von wo aus man die Milchstraße fotografieren will) eingeben
- bekanntes Objekt zur Orientierung auswählen
- evtl. Milchstraßenhelligkeit etwas hochdrehen, um sie besser zu sehen
Eine essenzielle Funktion von Stellarium ist die Möglichkeit, den Zeitablauf zu beschleunigen. So kann man ganz einfach feststellen, um welche Uhrzeit (und Jahreszeit) die Milchstraße sich von ihrer besten Zeit zeigen würde. Ein wiederholter Klick auf den Vorlauf Button beschleunigt die Uhr immer mehr, mit Klicks auf den „Rücklauf“ Button tickt die Uhr wieder langsamer.
Tipp: in den Wintermonaten ist das attraktive Zentrum der Milchstraße auf der Nordhalbkugel unterhalb des Horizonts und somit für uns nicht sichtbar. Im Frühjahr taucht das Zentrum am Morgenhimmel im Osten auf, um im Herbst am Abendhimmel im Westen wieder zu verschwinden. Die Sommermonate (Mai, Juni, Juli und August) solltest du dir in Stellarium näher ansehen, denn das ist die beste Zeit, um auf der Nordhalbkugel auch das Zentrum der Milchstraße sehen zu können.
Laut meinen Beobachtungen ist die Milchstraße im April und Mai am Abend sehr schlecht zu sehen, am frühen Morgen im Süden gut. In den Monaten Juni bis August kann man die Milchstraße am Abend in südlicher Richtung sehr gut sehen.
Noch ein Tipp: die Milchstraße wird erst sichtbar, wenn sich die Sonne zumindest 18 Grad unter dem Horizont befindet. Auf Details dazu (Stichwort Dämmerungsphasen) gehe ich im nächsten Artikel dieser Reihe noch ein.
Die Erde dreht sich – Belichtung und Sternspuren
Wenn sich etwas bewegt, gibt es bei längerer Belichtung Bewegungsunschärfe oder Lichtspuren. Lichtspuren werden in der Fotografie teilweise ganz bewusst eingesetzt, um Bewegung sichtbar zu machen. Im Bereich der Milchstraßenfotografie wollen wir gerade das aber nicht. Wir wollen diese so scharf als möglich abbilden und deshalb auch keiner Spuren am fertigen Foto sehen.
Hier beginnt das Dilemma der Astrofotografie. Dunkle Objekte benötigen nämlich eine lange Belichtungszeit, um sie am Foto überhaupt sehen zu können. Wenn wir aber zu lange belichten, gibt es Lichtspuren. Was wiederum bedeutet, dass wir die Belichtungszeit kurz halten müssen. Sackgasse? Nein, nicht ganz!
Belichtungszeit
Wenn wir etwas exakter formulieren, können wir dem Dilemma zumindest teilweise entfliehen. Dunkle Objekte benötigen nämlich nicht (nur) eine möglichst lange Belichtungszeit, um am Foto gesehen zu werden. Vom Sensor muss möglichst viel Licht vom Objekt wahrgenommen werden können. So muss es nämlich korrekt formuliert heißen! Eine lange Belichtungszeit ist damit nur eine von mehreren Möglichkeiten.
Blende
Eine weitere Möglichkeit ist eine möglichst große Blendenöffnung. Je weiter die Blende geöffnet ist, umso mehr Licht gelangt in der gleichen Zeit auf den Sensor.
Blöd: lichtstarke Objektive sind sauteuer. Hier muss jeder für sich entscheiden, wie weit er gehen will (oder kann). Dazu habe ich schon im ersten Teil dieser Reihe etwas ausführlicher geschrieben.
ISO-Wert
Die dritte Möglichkeit ist die Einstellung des ISO Wertes, was der Empfindlichkeit des Sensors entspricht. Je höher der Wert, desto empfindlicher ist der Sensor und desto schneller wird grob gesagt ein Punkt als hell wahrgenommen. Nachteil: je empfindlicher der Sensor eingestellt ist, desto eher (aber nicht zwangsläufig!) kommt es zu störendem Bildrauschen.
Zusammengefasst können wir also festhalten: so lange belichten, als möglich, unter Berücksichtigung der Bewegungsunschärfe / Lichtspuren. Die Blende so weit öffnen als möglich. Das mit dem ISO Wert ist nicht ganz so einfach. Bei der Fotografie in der Nacht, also bei sehr wenig Licht, bedeutet ein möglichst niedriger Wert nicht unbedingt das beste Ergebnis. Er muss hoch genug sein, um genügend Sterne / die Milchstraße abbilden zu können. Ein zu höher Wert führt aber ebenfalls zu schlechteren Ergebnissen. Auch hier müssen wir also einen Kompromiss eingehen. Details dazu sehen wir uns dann in der Praxis an!
Thomas Jansen von reisen-fotografie.de hat eine Infografik zum Thema Belichtung erstellt, in der das oben Beschriebene sehr gut zusammengefasst wird.
Die richtige Belichtung
Sternspuren vermeiden
Wie zu Beginn erwähnt, dreht sich die Erde quasi unter den Sternen weg. Schnell genug, um uns bei der Belichtungszeit so weit einzuschränken, dass ein gut belichtetes Milchstraßenfoto kein einfaches Unterfangen ist. Denn wenn wir zu lange belichten, kommt es zu Bewegungsunschärfe oder Sternspuren, wenn wir zu kurz belichten, ist am Ende kaum etwas von der Milchstraße zu sehen.
Ach ja – wichtig! Zumindest auch als Merksatz für mich selbst: in der Nacht will man keinen (Pol)Filter vor der Linse haben, der das einfallende Licht dämpft! Wir brauchen jede Lichtwelle in voller Kraft – also runter damit!
The 500 Rule – maximale Belichtungszeit
Zum Glück gibt es eine Formel (500 rule), die uns zu einer definierten Brennweite berechnen lässt, wie lang die maximale Belichtungszeit sein darf, bei der noch keine sichtbaren Sternspuren auftreten. Grob gesagt ist das jene Zeit, bei der ein Lichtpunkt am Sensor gerade noch nicht auf das benachbarte Pixel trifft.
Max. Belichtungszeit = 500 / ( Brennweite * Crop-Faktor)
Es geht auch ohne lästiges Rechnen vor Ort – mit einem Cheat-Sheet, welches vorberechnete Werte enthält. So eines kann man sich ganz einfach selbst erstellen, um vor Ort etwas flexibler zu sein, was die Bildkomposition anbelangt.
Ich habe das für einige Brennweiten meiner aktuell in Frage kommenden Objektive getan. Wer also eine ähnliche Kamera (Canon mit APS-C 1,6 / crop sensor) und Objektive besitzt, kann diese Werte als Ausgangspunkt verwenden.
So könnte ich mit dem 10-18 mm bei 10 mm Brennweite 31 Sekunden belichten, ohne Sternspuren zu bekommen, mit dem neuen, lichtstarken 16 mm ca. 19 Sekunden. Würde ich mein 600er Tele auspacken, dann dürfte ich maximal nur noch eine halbe Sekunde belichten. Ein ausführliches Cheat Sheet zur 500 rule bietet Dave Morrow Photography.
The NPF Rule – es geht noch genauer
Mit der steigenden Anzahl von Megapixeln bei den neuen Digitalkameras wird aber die 500 Rule immer ungenauer bzw. im Sinne der Vermeidung von Sternspuren sogar falsch. Denn je kleiner die einzelnen Punkte am Sensor werden, umso schneller erreicht ein Stern quasi das nächste Pixel. Und so wurde aus der 500 Rule irgendwann die 400 Rule oder gar die 300 Rule.
Sehr viel genauer klappt das alles mit der vom französischen Fotografen Frédéric Michaud entwickelten Formel. Diese berücksichtigt neben der Brennweite noch weitere Faktoren, wie die Anzahl der Megapixel, die Größe des Sensors, die Blende und mehr. Die Formel ist relativ komplex und nicht so einfach über den Daumen auszurechnen.
Diese ist als NPF Rule bekannt. Am Ende kannst du mit modernen Digitalkameras mit mehr als 20 MP sehr viel kürzer belichten, als es die 500 oder 400 Rule sagen würde. Details dazu findest du auf der Seite von Aaron Priest: 500 Rule vs. NPF Rule for sharp stars.
Dort findest du auch ein XLS-Sheet mit Berechnungen für verschiedene Kameras. Eine weitere Option ist die Verwendung der App Photo Pills (kostet Stand Ende 2020 10,99 €).
Ich persönlich verwende die 500 Rule als Richtlinie und belichte mit meiner 24MP Kamera zu Beginn dann etwas mehr als die Hälfte der Zeit der 500 Rule. Je nach verwendetem Objektiv verlängere ich die Belichtungszeit dann ein wenig und schaue mir das Ergebnis an. Also mehr oder weniger ein simples herantasten mit einem guten Startwert.
Zu viel für den Anfang
Was ich dir und mir ersparen will: astigmatisch ins Koma zu verfallen und dann auch noch chromatisch zu Aberrieren! Zusammengefasst geht es dabei um Abbildungsfehler bzw. Unschärfen durch schräg einfallendes Licht und mehr. Wenn du wirklich mehr darüber wissen willst: die korrekten Bezeichnungen dieser Gemeinheiten sind Astigmatismus, Koma und chromatische Abberation. Ein gutes Objektiv sollte einfach gesagt möglichst wenig Abbildungsfehler produzieren.
Im nächsten Beitrag kommen wir dem ersten Bild der Milchstraße schon sehr viel näher! Es geht um das Auffinden des idealen Aufnahmeortes.
Alle Artikel zum Thema Milchstraße fotografieren
- Die Ausrüstung
- Milchstraße lokalisieren und Belichtung (dieser Artikel)
- Lichtverschmutzung & Aufnahmeort
- Bilder schießen und Nachbearbeitung, das beste aus den Bildern holen
- Nachbearbeitung Leitfaden
Testbilder
Im Rahmen dieser Artikelreihe entstehen auch immer wieder einmal Testbilder. Diese werde ich regelmäßig zeigen und über meine Erkenntnisse dazu schreiben.
- Erste Testbilder und Erkenntnisse
Unter anderem lokalisieren der Milchstraße, Lichtverschmutzung einschätzen, Kamera in der Dunkelheit bedienen, Sternspuren und Test 2er Objektive
Im nächsten dreht sich alles Lichtverschmutzung & Aufnahmeort.
Hallo Horst,
klasse Seite, viel verständliche Information ohne viel Geschwafel. Top!
Eine Frage zu deinem Samyang: bist du mit der Schärfe und der Abbildungsleistung zufrieden?
Viele Grüße
Uwe
Servus Uwe!
Danke, das freut mich!
Zum Samyang: schwer zu sagen, weil mir der Vergleich mit anderen Objektiven in diesem Einsatzbereich fehlt. Bisher habe ich das Objektiv auch nur in der Nacht verwendet. Vielleicht teste ich es diese Tage einmal, nachdem ich mich mit dem manuellen Scharfstellen durch meine Makroaufnahmen in der letzten Zeit immer mehr anfreunde. Muss zugeben, dass ich bis vor Kurzem untertags nur mit dem Autofokus richtig Spaß hatte ;-) .
Have fun
Horst
Super Infos, Horst! Bin gerade drauf und dran alle deine Fotografie Artikel zu durchstöbern und mir Tipps zu holen. Jetzt überlege ich, ob ich das Samyang 16/2,0 mir leisten soll…… Möchte auch mal die Sterne einfangen :-) Lg, Andrea
Servus Andrea!
Danke, das freut mich :-) .
Ich muss ja gestehen, dass ich die Objektive mit manuellem Fokus wirklich nur für die Nachtfotografie verwende, wo der Autofokus ohnehin nicht wirklich funktioniert. Habe mir auch eine 135er Festbrennweite mit manuellem Fokus zugelegt und dachte mir, dass ich diese durchaus auch untertags verwende könnte. Könnte. Ich tue es aber nicht, weil ich mit dem manuellen Fokus viel zu langsam bin. Wäre aber wohl auch nur eine Farge der Übung.
Viel Spaß mit dem 16er (falls du es dir zulegen solltest)
Horst
Ich mag die Serie!
Servus Michael!
Danke – freut mich!
Habe gestern dann noch spontan einen eigenen Artikel mit ersten Testbildern nachgeliefert. Dürfte dich als jemanden, der sich viel mit Objektiven beschäftigt, auch interessieren. Habe mein recht neues F2.0 Samyang dabei getestet.
Und? Hast du schon Feuer gefangen? Machst du mit und schlägst dir selber Nächte mit der Kamera um die Ohren? Fände ich super!
Have fun
Horst